Fragen & Einwände


Das Thema Energiesteuern hat sich von selbst erledigt, seit die Politik einen Umstieg auf Erneuerbare Energien befürwortet.

Nein, ganz und gar nicht: Der Behauptung liegt ein grundlegendes Missverständnis zugrunde, sie vergisst die positive Wirkung von Energiesteuern auf den Arbeitsmarkt. Wir begrüßen die von breiterer Front kommenden Stimmen, die einen raschen Umstieg auf 100% Erneuerbare Energien fordern, und halten diesen Schritt für richtig und wichtig, für die Umwelt wie für den Technologiestandort Deutschland.

Ein Umstieg auf Erneuerbare Energien ändert aber nichts an der Arbeitsfeindlichkeit unseres Steuersystems durch die Schieflage zwischen Energie- und Arbeitsbesteuerung. Auch die (unbedingt wünschenswerte) Steigerung der Energieeffizienz wird allein durch eine solche Umstellung nicht gefördert.

Im Gegenteil ergänzen sich Umstellung auf Erneuerbare Energien und Energiesteuerreform perfekt: Viele Modelle zur Umstellung auf Erneuerbare Energien gehen von einer deutlichen Steigerung der Energieeffizienz aus, die durch Energiesteuern marktwirtschaftlich transparent angetrieben werden kann. Je mehr der Gesamtenergiebedarf durch Energiesteuern sinkt, desto schneller und kostengünstiger kann die Umstellung realisiert werden; wenn die Belastung des Faktors Arbeit gesenkt wird, werden die notwendigen Planungsarbeiten billiger.


Die Forderungen nach einer Umschichtung von Steuern und Abgaben in Höhe von mehreren hundert Milliarden Euro sind nicht politiktauglich.

Dieser Einwand ist vor allem eine bequeme Rechtfertigung für einen Mangel an Phantasie und politischem Mut; er birgt die Gefahr in sich, zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung zu werden. Aufgabe politischen Handeln sollte es vielmehr sein, für als notwendig erkannte Veränderungen gesellschaftliche Mehrheiten zu organisieren. Viele jetzt auf der Tagesordnung stehende Konzepte galten zuvor weithin als politikuntauglich: der Atomausstieg, das EEG, der Umstieg auf 100 Prozent Erneuerbare Energien etc.

Auch die Vorschläge zur Ökosozialen Steuerreform waren früher durchaus radikaler [Fußnote]vgl. das Zitat von E.U.von Weizsäcker: "Umweltsteuern können dagegen auf eine Höhe anwachsen, die mindestens eine Größenordnung höher liegt als die gegenwärtigen Sonderabgaben. Selbst ein Faktor 100 gegenüber den heutigen Sonderabgaben ist rechtlich möglich und wirtschaftlich vertretbar.". Dass sie in den letzten Jahren einen so schweren Stand hatten, mag auch darin begründet liegen, dass sie meist einseitig ökologisch begründet, ihre ökonomisch-sozialen Chancen hingegen nicht überzeugend kommuniziert worden sind. Die zitierten Untersuchungen zur Produktionsmächtigkeit der Faktoren Arbeit und Energie liefern einen völlig neuen Begründungsansatz, der die ökonomischen und sozialen Vorteile in den Mittelpunkt stellt und damit geeignet ist, die Ängste vor ökonomischen Nachteilen der ökologischen Modernisierung zu zerstreuen.


Die Wirtschaft wäre überfordert mit der notwendigen Anpassungsleistung.

Selbstredend ist eine solch weitreichende Änderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht von heute auf morgen zu bewerkstelligen, sondern muss schrittweise über einen längeren Zeitraum geschehen, damit sich Wirtschaft und Verbraucher auf die Veränderungen einstellen können. Dabei sollte der Grundsatz gelten: so langsam wie nötig, so schnell wie möglich: Einerseits braucht die Anpassung an die neuen Rahmenbedingungen Zeit, andererseits zwingt die extreme Schieflage zwischen Arbeit und Energie (siehe These 3) zu zügigen Reformschritten, um die Weichen für künftige Investitionen möglichst frühzeitig in eine andere, zukunftsfähige Richtung zu stellen.


Eine Erhöhung der Energiesteuer trifft vor allem die sozial Schwachen.

Eine isolierte Anhebung der Energiesteuern ohne Entlastung an anderer Stelle wäre in der Tat unsozial: eine reine Erhöhung der Energiekosten wäre für Haushalte mit geringem Einkommen sicher schwerwiegender als für Haushalte mit hohem Einkommen. Bei der Energiesteuerreform geht es jedoch nicht um eine bloße Anhebung von Energiesteuern, sondern um eine Umschichtung der Steuer- und Abgabenlast von der Arbeit zur Energie. Ausgleichsmaßnahmen zur Vermeidung sozialer Härten sind möglich und beabsichtigt.

So schlägt z.B. das Reformmodell des SFV ein aus den Energiesteuereinnahmen finanziertes Energiegeld pro Person vor, das die durchschnittlichen Mehrkosten für Energiebedarf deckt. Da außerdem viele den Großverdienern vorbehaltene Luxusgüter (überdurchschnittlich große Autos, größere Wohnfläche pro Person, Flugreisen) mit höherem Energieverbrauch einhergehen, sind sinnvoll eingeführte Energiesteuern sogar von Vorteil für Geringverdiener (und ebenso für kinderreiche Haushalte). Eine ausführlichere Stellungnahme hierzu finden Sie hier.


Eine nationale Vorreiterrolle benachteiligt die deutsche Wirtschaft.

Die Reform verschiebt den Rationalisierungsdruck von der Arbeit zur Energie. Für den Arbeitsmarkt kann dies nur positiv sein. Ebenso wie für Forschung, Technologieentwicklung und Investitionen. Je früher notwendige Weichenstellungen erfolgen, desto größer ist der nationale Vorsprung bei der Entwicklung von Zukunftstechnologien, und desto mehr Spielraum hat auch die Politik, die Umstellung abzufedern.


Eine solche Vorreiterrolle in Deutschland führt nur dazu, dass energieintensive Industriezweige in Länder ohne solche Steuern verlagert werden.

„Allen Menschen gut getan ist eine Kunst, die niemand kann“, sagt der Volksmund. Nachteile für einzelne Branchen sind wohl nicht zu vermeiden, wenn man die bisherige Fehlsteuerung des Marktes beseitigen will. Schließlich haben sich etliche Branchen genau an die jetzigen Rahmenbedingungen angepasst. Die Frage ist nur, ob die Arbeitsmarktbilanz insgesamt stimmt. Eine überschlägige Abschätzung zeigt, dass es weitaus mehr Gewinner als Verlierer der Reform gibt.

Nichtsdestotrotz könnte die Verlagerung energieintensiver Produktion in Länder ohne Energiesteuern durch Grenzausgleichsabgaben abgefedert werden. Bekannt ist dieses Instrument vor allem beim Ausgleich unterschiedlicher Verbrauchssteuern bei Alkohol oder Zigaretten an der Landesgrenze. Möglich wäre sowohl der Ausgleich beim Export (Rückzahlung der Mehrbelastung durch inländische Energiesteuern) als auch beim Import (Erhebung von Grenzausgleichsabgaben auf importierte Waren in Höhe der inländischen Mehrbelastung). Allerdings sind beide Möglichkeiten unterschiedlich zu bewerten: Grenzausgleichsabgaben auf Importgüter sind in ihrer Wirkung eindeutig positiv zu sehen, weil Importeure sich auf den deutschen Standard (höhere Energiebesteuerung) einstellen müssten, mit entsprechender positiver Lenkungswirkung. Der Grenzausgleich für Exportgüter hingegen unterläuft die Wirkungen der Energiesteuerreform teilweise wieder: Energiesteuern auf Exportprodukte werden zurück erstattet, womit für diese die gewünschte Lenkungswirkung entfällt. Allerdings ist ein Grenzausgleich für den Export im Interesse der politischen Durchsetzbarkeit der Energiesteuerreform vorstellbar. Er sollte jedoch schrittweise zurück gefahren werden, um die Lenkungswirkung auch für diesen Bereich zu erhöhen. Dies ist mittelfristig ohne allzu starke Abwanderung der Produktion denkbar, wenn entweder das Beispiel der Energiesteuer-Vorreiter international Schule macht oder die durch die Besteuerung initiierten technologischen Innovationen eine Abwanderung schlicht überflüssig gemacht haben.

Was die rechtliche Zulässigkeit von Grenzausgleichsabgaben angeht, stellte eine Studie des Umweltbundesamtes 2008 fest, dass der Ausgleich unterschiedlicher Kosten durch europäische bzw. nationale Klimaschutzinstrumente mit dem WTO-Recht vereinbar ist. Ob Grenzausgleichsabgaben nicht nur gegenüber Nicht-EU-Ländern, sondern auch im EU-Binnenmarkt zulässig sind, ist freilich zweifelhaft. Deswegen auf eine europäische Lösung zu warten, wäre jedoch verfehlt; einer solchen muss vielmehr durch nationale Vorreiterrollen der Weg geebnet werden. Die Spielräume hierfür sind – wie oben ausgeführt - durchaus vorhanden. Man muss allerdings darauf achten, das Tempo der Reform so zu dosieren, dass die Anpassungsfähigkeit der Wirtschaft nicht überstrapaziert wird.


Energiesteuern sind technik- und fortschrittsfeindlich!

Nein, ganz im Gegenteil: zukunftsträchtige Technologien, z.B. Erforschung und Entwicklung energieeffizienter Produkte werden gefördert. Durch die neuen Rahmenbedingungen werden Innovationen angestoßen. Ganz allgemein wird Bildung und Forschung gefördert, da diese Bereiche personalintensiv sind.

Vor allem aber trägt die Energiesteuerreform dazu bei, die Arbeitsfeindlichkeit unseres Steuersystems zu überwinden und unsere Marktwirtschaft auf den Menschen hin zu optimieren. Es mag sein, dass einige Automatisierungstechniken sich dann langsamer durchsetzen, aber ist es wirklich Fortschritt, wenn wir uns still und heimlich selbst wegrationalisieren?

"Beim Fortschritt denken viele nur an die Geschwindigkeit, nicht aber an die Richtung"

(Quelle unbekannt)

Der genannte Einwand geht letztlich von der einseitigen Gleichsetzung von "Fortschritt" mit Steigerung der Arbeitsproduktivität aus. Dabei werden zum einen die Fortschrittspotentiale ausgeblendet, die in einer Steigerung der Energieproduktivität bestehen, zum anderen bleibt außer acht, dass eine immer weitergehende Steigerung der Arbeitsproduktivität sich in dem Maße ad absurdum führt, in dem der Faktor Arbeit immer weniger knapp, sondern im Gegenteil im Überangebot vorhanden ist. Siehe hierzu auch die Artikel Arbeitsproduktivität – ein missverstandener Begriff und "Es droht eine ganz andere "Revolution"", und den Begriff des "Tittytainment".


Ist der Emissionshandel eine Alternative zur Energiesteuerreform?

Nein. Auf den ersten Blick bestehen zwar gewisse Parallelen, und unter beiden wird, unter gewissen Umständen, Energieeffizienz belohnt. Jedoch hat der Emissionshandel gravierende grundsätzliche Nachteile, die in mehreren Artikeln ausführlich diskutiert werden (Scheinalternative Emissionshandel, The same procedure as every year?). Die wichtigsten fassen wir hier kurz zusammen:

Fazit: Sinnvoller als der Emissionshandel sind Klimaschutzinstrumente, die auch in ökonomisch-sozialer Hinsicht attraktiv sind, die ohne den Zwang zum internationalen Konsens funktionieren und die andere Länder zur Nachahmung animieren. Beispiele hierfür sind das EEG und die Verlagerung der Steuerlast von der Arbeit zur Energie.


Nicht die Lohnkosten sind entscheidend, sondern die Lohnstückkosten, und diese sind in Deutschland durchaus im Rahmen des international Üblichen.

Dieses häufig zu hörende Argument in der Lohndiskussion greift leider zu kurz. Aus einer hohen Arbeitsproduktivität lässt sich nicht zwangsläufig auf eine hohe Bedeutung des Faktors Arbeit schließen. Ebenso voreilig ist es, den in der Vergangenheit zu beobachtenden Anstieg der Arbeitsproduktivität der gestiegenen Tüchtigkeit oder Qualifikation der Arbeiter zuzuschreiben; er könnte vielmehr sogar durch eine abnehmende Bedeutung des Faktors Arbeit für die Wertschöpfung bedingt sein. Ein (zugegebenermaßen provokatives) Extrem-Beispiel mag diese paradox anmutende Feststellung illustrieren: In dem Maße, in dem das Pferd im 19. und frühen 20. Jahrhundert als Transportmittel und damit als Produktionsfaktor verdrängt (und durch Autos und Eisenbahnen ersetzt) worden ist, ist seine Produktivität (nämlich das Verhältnis von Wertschöpfung zu eingesetzter Zahl an Pferden) gewachsen; dennoch würde niemand daraus den Schluss ziehen, die Pferde seien seinerzeit immer leistungsfähiger geworden, oder davon sprechen, ein Pferd habe eine immer höhere Wertschöpfung erbringen können. Dass es durchaus Wege aus diesem Dilemma gibt, zeigt der Artikel Netto statt Brutto!.


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