Jürgen Grahl

Stellungnahme zur Photon-Erwiderung auf "Die 300-Milliarden-Euro-Chance"

Die Stellungnahme von Photon [8] geht leider auf die Kernthese unseres Beitrags [1] nicht ein. Diese besagt, dass die auf den Strompreis umgelegten Solarstromvergütungen nicht mit volkswirtschaftlichen Belastungen gleichzusetzen sind. Hierfür gibt es mehrere Gründe:

1. Der EEG-induzierte Solarboom kann bisher brachliegende volkswirtschaftliche Ressourcen mobilisieren, vor allem ungenutzte Potentiale an Arbeitskräften. Insbesondere dem personalintensiven Installationshandwerk eröffnen sich neue Zukunftsperspektiven. Die Solarstromvergütungen finden sich also zum erheblichen Teil als Löhne und Gehälter in der Solarbranche wieder und ermöglichen es den neu eingestellten Mitarbeitern, wieder stärker am Konsum teilzunehmen. Gleichzeitig werden durch die Neueinstellungen die Sozialsysteme entlastet. Diese Effekte sind um so stärker, je mehr Solaranlagen installiert werden - auch dann, wenn ein Teil der Module aus dem Ausland stammt.

2. Die Solarstromerzeugung ermöglicht erhebliche Einsparungen an externen Kosten (Kosten der Klimaveränderung und Luftverschmutzung).

3. Die gezahlten Solarstromvergütungen fließen in den Aufbau eines regenerativen Energiesystems. Sie stellen somit eine notwendige Investition in die langfristige Sicherung der Energieversorgung dar.

Insbesondere äußert sich Photon nicht zu den von uns auf über 300 Milliarden Euro bezifferten volkswirtschaftlichen Einsparungen, welche sich durch die bis 2035 voraussichtlich installierten Photovoltaik-Anlagen allein bei Einbeziehung der externen Kosten ergeben.

Darüberhinaus sind die Ausführungen von Photon vor allem in folgenden Punkten unzutreffend:

Zahlreiche weitere der vorgebrachten Einwände beruhen wohl auf ungenauer Lektüre des SFV-Beitrages. Eine Erwiderung hierauf und auf weitere Kritikpunkte sowie ausführlichere Erläuterungen zu einigen der obigen Punkte finden interessierte Leser im Anhang.

Anhang: Ausführliche Stellungnahme auf die Photon-Erwiderung

1. Herr Schüßler, der Autor der Photon-Erwiderung, beklagt, dass es mehrere Versionen des SFV-Beitrages gebe.

Tatsächlich ist der am 16.7.2007 veröffentlichte Text wegen eines Fehlers in der Anwendung der Lernkurven-Theorie bereits am 17.7.2007 korrigiert worden; für den diesbezüglichen kritischen Hinweis der Photon-Redaktion bedanken wir uns an dieser Stelle. Am wesentlichen Resultat, dass die von Photon geforderte Degression von 7,5% auf Dauer nicht verkraftbar ist, hat sich dabei nichts geändert. Die korrigierte Version ist als solche kenntlich gemacht. Damit sich der Leser selbst ein Bild über die Relevanz der Unterschiede zwischen den beiden publizierten "Versionen" machen kann, sind diese im Folgenden dokumentiert: ursprüngliche Version vom 16.7.2007, am 17.7.2007 ersetzt durch korrigierte Version.

2. Die EEG-Umlagen sind sozial verträglich, da sie in neue Arbeitsplätze fließen

Zum Einwand, EEG-Umlagen für Solarstrom in Höhe von 8 Euro pro Bürger und Monat seien nicht sozial verträglich:

Es handelt sich bei diesen angeblichen "Belastungen" um eine rein rechnerische Größe, die die positiven Effekte eines Solar-Booms und die hierdurch ermöglichten anderweitigen Einsparungen außer Acht lässt (siehe auch (14)). Insbesondere helfen die EEG-Umlagen dabei, Arbeitslose in Lohn und Brot zu bringen und ihnen wieder die Teilhabe am allgemeinen Wohlstand zu ermöglichen. Damit leisten sie einen Beitrag, eine der größten sozialen Ungerechtigkeiten in unserem Land spürbar zu verringern: die Massenarbeitslosigkeit.

3. Importierte Solarmodule machen nur einen Teil der Wertschöpfung aus

Zum Einwand, ein Großteil der in Deutschland neu installierten Solarmodule werde importiert. Somit fließe ein Großteil der Gelder ins Ausland und stehe nicht zur Verfügung, um Lohnnebenkosten zu senken:

Es ist zwar richtig, dass derzeit noch ein erheblicher Anteil der in Deutschland installierten Module aus dem Ausland kommt. Jedoch werden auch die importierten Module hier im Lande installiert. Gerade die Installation ist personalintensiv und hat daher einen relativ hohen Anteil an der Wertschöpfung der Branche. Auch Zubehörteile wie Wechselrichter, Gestelle usw. stammen zu einem erheblichen Teil aus Deutschland. Insgesamt betrug der Anteil der inländischen Wertschöpfung der Photovoltaik-Branche im Jahr 2006 mehr als 65% [10]. Zwei Drittel der Vergütungszahlungen kommen also schon heute der inländischen Wirtschaft zugute.

Der momentan noch hohe Importanteil der Solarmodule ist leicht zu erklären: Durch das Inkrafttreten des EEG 2000 und die Erhöhung der Solarstromvergütung im Zuge der EEG-Novelle 2004 ist die Nachfrage nach Photovoltaik-Anlagen in kurzer Zeit sprunghaft gestiegen. Das inländische Angebot kann jedoch nur mit Verzögerung ausgeweitet werden, da die hierfür benötigten Produktionskapazitäten nicht über Nacht entstehen. In der Übergangszeit muss die Lücke durch Importe geschlossen werden. Dies wird sich in den nächsten Jahren ändern - sofern das EEG weiterhin ausreichende Anreize für den weiteren Ausbau der Photovoltaik gibt und das Vertrauen in die Stetigkeit der deutschen Markteinführungspolitik erhalten bleibt. Dann kann Deutschland alsbald sogar Nettoexporteur von Solaranlagen werden.

4. Mit Absenkung der Renditen erlahmt Anreiz zur Ausweitung der Produktion

Zu den Wirkungen einer Vergütungsabsenkung führt Herr Schüßler aus: "Die aktuellen Gewinnmargen der Solarindustrie würden deutliche Preissenkungen sehr gut erlauben. Im Übrigen "brechen" die Modulverkaufspreise nicht zusammen, weil die Vergütung an die sinkenden Herstellungskosten angepasst wird. Die Verkaufpreise für PV-Anlagen pendeln sich einfach auf einem niedrigeren Niveau ein, das bei gegebener Vergütung und der von den Betreibern erwarteten Rendite angemessen ist. Es ist kein Preisbildungsprozess vorstellbar, bei dem die Hersteller ihre Produkte dauerhaft unter diesem resultierenden Anlagenpreis anbieten würden. Man darf hier nie vergessen: Die Produktionsvolumen sind beschränkt (derzeit im Bereich einiger weniger Gigawatt pro Jahr), das gesamte Marktpotenzial liegt bei einem ungedeckelten Markt (und den stellt das EEG zur Verfügung) im Bereich mehrerer Hundert Gigawatt. Die Nachfrage wird das Angebot noch auf Jahre hinaus überschreiten."

Erwiderung: Es gibt nicht "die" fixe, von den Betreibern erwartete Rendite und nicht "die" fixe Nachfrage. Vielmehr hängt die Nachfrage nach Solarmodulen sehr empfindlich von der für die Betreiber erzielbaren Rendite ab. Eine Formulierung der Art, die Nachfrage überschreite das Angebot, ist an sich sinnlos, da der Marktmechanismus Nachfrage und Angebot (die beide keine festen Werte, sondern Funktionen der Preise sind) zur Deckung bringt - im Schnittpunkt von Angebots- und Nachfragekurve. Auch unterscheidet Herr Schüßler nicht zwischen kurzfristig eher starrem, mittelfristig aber elastischem Angebot.

Eine Vergütungsabsenkung führt dazu, dass sich die Nachfragekurve für Photovoltaik-Anlagen nach unten verschiebt. (Der Preis der Anlagen muss sinken, damit die gleiche Nachfrage aufrechterhalten bleibt.) Wäre nun das Angebot vollständig unelastisch (was einer senkrechten Angebotskurve entspricht), so ergäbe sich ein neues Marktgleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage bei der gleichen installierten Menge, aber auf niedrigerem Preisniveau. In diesem (und nur in diesem) Fall würden tatsächlich - wie von Herrn Schüßler prognostiziert - nur die Renditen der Hersteller sinken. Hierdurch würde aber der Anreiz zur Ausweitung der Produktionskapazitäten [1, S. 12f.] erlahmen - und somit die mittelfristige Vergrößerung des Angebots gehemmt, welche dann im nächsten Schritt zur Verbilligung der Anlagen geführt hätte. Selbst in diesem Fall würde sich das Ausbautempo der Photovoltaik verlangsamen.

Tatsächlich ist aber das inländische Angebot selbst kurzfristig nicht völlig unelastisch (mittelfristig ist es dies ohnehin nicht), da bei nachlassender Rentabilität des Modulgeschäfts z.B. weniger Module nach Deutschland importiert würden und die deutschen Hersteller sich evtl. mehr auf den Export hin orientieren müssten. In diesem Fall verschiebt sich das Marktgleichgewicht hin zu weniger Neuinstallationen, und es sinken sowohl die Renditen der Hersteller als auch die der Betreiber. Hierdurch verlangsamt sich sowohl das momentane als auch das zukünftige Ausbautempo.

5. Zu den Einwänden, höhere Gewinnmargen würden nicht automatisch zum Bau von mehr Solarfabriken führen; die Solarindustrie habe mittlerweile einen großen Rendite-Puffer; die Restriktionen für einen noch schnelleren Ausbau lägen nicht mehr in den von Investoren zur Verfügung gestellten Geldmitteln:

Dies mag als Beschreibung der aktuellen Situation zutreffen. Die Tatsache, dass unter den heutigen EEG-Rahmenbedingungen die wirtschaftlichen Anreize für Kapazitätsausweitungen vorhanden sind, besagt jedoch nichts darüber, ob diese Anreize unter verschlechterten Rahmenbedingungen weiterbestehen. Investoren reagieren bekanntlich höchst sensibel auf Verminderungen der Rendite, so dass bei einer Verschlechterung des EEG die Investitionsbereitschaft der Kapitalgeber sehr schnell zum entscheidenden Engpass werden kann. Selbst wenn bereits etablierte Solarunternehmen eine Verschlechterung ihrer Renditesituation verkraften können, so werden dadurch potentielle neue Akteure von vornherein davon abgehalten, ins Solargeschäft einzusteigen. Dies verlangsamt den Aufbau neuer Fertigungskapazitäten, behindert den Wettbewerb in der Branche und erhöht die Gefahr monopolistischer Tendenzen (siehe hierzu ausführlich [1, S.13]).

6. Weltweiter Solarboom hängt maßgeblich von deutscher Vorreiterrolle ab

Zur Diskussion um die sich aus der Lernkurve ergebende Kostenreduktion:

In meinen diesbezüglichen Ausführungen ging es um folgende Frage: Wenn Photon mit seinem Szenario aus [4], wonach der Solarstromanteil in Deutschland bis 2019 auf 15% steigt, recht behält - rechtfertigen dann die Kostensenkungen, die bei einem solchen Wachstum gemäß der Lernkurventheorie erzielbar sind, die von Photon geforderte Degressionserhöhung auf 7,5%? Die von mir bei der Untersuchung dieser Frage getroffenen Annahmen erklären sich wie folgt:

7. Zur Behauptung, aus einer Verdopplung der insgesamt weltweit produzierten Menge an Solarmodulen alle zwei Jahre leite sich ein jährliches Kostensenkungspotenzial von rund 10% und damit eine mögliche Degression von 10% ab:

Aus dieser Wachstumsdynamik leitet sich lediglich eine jährliche Degression von 8% ab, sofern man wieder eine Kostenreduktion von 18% je Verdoppelung der kumulierten Leistung sowie eine Inflationsrate von 1,6% (entsprechend der durchschnittlichen jährlichen Steigerung des Verbraucherpreisindex zwischen 2000 und 2006) voraussetzt. Verwendet man den von Photon selbst genannten unteren Wert von 15% für die Lernkurvenschätzungen, so kommt man sogar auf lediglich 6,3% zulässige Degression. Die genannten 10% sind eine zu grobe Abschätzung, die insbesondere die Inflation außer acht lässt, welche ja ebenfalls zu einer Senkung der realen Vergütung führt.

Mathematische Erläuterung: Dies ergibt sich wie folgt: Eine Verdoppelung der installierten Leistung reduziert die Kosten um den Faktor 1-0,18=0,82. Da sich dies annahmegemäß in einem Zeitraum von 2 Jahren vollzieht, liegt die jährliche Kostenreduktion bei einem Faktor 0,820,5= 0,906. Berücksichtigt man die Inflation, so darf die Vergütung nur um den Faktor 0,906 * 1,016=0,92 sinken. Dies bedeutet 8% maximal zulässige Degression. Analog kommt man auf die genannten 6,3%.

8. Zur Frage der Zeitabhängigkeit der Lernkurve schreibt Herr Schüßler: "Herr Grahl führt außerdem aus, dass sich die Lernkurve bei einem starken Zubau verlangsamt [...]. Diese Annahme ist falsch. [...] Herr Grahl übersieht vor allem die Tatsache, dass die Lernkurve als Dimension an keiner Stelle die Zeit, sondern nur die kumulierte installierte Leistung und die Produktionskosten hat. Je schneller diese Leistung hochgefahren wird, desto schneller sinken die Kosten. Es gibt hier keine "Schallmauer". Alle Studien zur (auch aktuellen) Entwicklung der Produktionskosten bestätigen immer wieder die Gültigkeit der Lernkurve."

Hier hat Herr Schüßler offenbar flüchtig gelesen und daher meine Ausführungen ins Gegenteil verkehrt: Es ging in der betreffenden Passage um etwaige Nachteile einer "zu niedrigen" Degression, also um Argumente, die die Photon-Forderung nach einer Degressionsverschärfung stützen könnten. Hier hatte ich die Möglichkeit angesprochen, dass die Lernkurve bei zu schneller Durchlaufung (etwa "bei einer jährlichen Verdreifachung") vermutlich ihre Gültigkeit verliere, um sodann festzustellen, dass wir "von dieser Situation [...] angesichts weltweiter Wachstumsraten der Photovoltaik von 40% heute freilich meilenweit entfernt" sind. Ich habe also nicht etwa für eine niedrigere Degression plädiert, da die Lernkurve heute zu schnell durchlaufen werde, sondern im Gegenteil ausgeführt, dass genau dies nicht der Fall ist, dass also keine Marktüberhitzung vorliegt, so dass auch kein Grund besteht, die aktuelle Dynamik durch eine Degressionserhöhung zu dämpfen.

Ich habe auch keinesfalls die Zeitunabhängigkeit der Lernkurve "übersehen", sondern vielmehr darauf hingewiesen, dass diese Zeitunabhängigkeit bei extrem hohen Wachstumsraten vermutlich verloren geht. Es ist hierbei stets zu bedenken, dass selbst die meisten mathematisch exakt fassbaren Naturgesetze einen mehr oder eingeschränkten Gültigkeitsbereich haben; z.B. sind Federauslenkung und angelegte Kraft zwar proportional - aber nur so lange, wie die Feder nicht überstreckt wird oder gar reißt. Für rein empirische "Gesetze" der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften wie etwa die Lernkurventheorie, für die es letztlich keine zwingende theoretische Herleitung gibt, gilt dies um so mehr.

Beachtenswert ist folgender Satz von Herrn Schüßler: "Je schneller diese Leistung hochgefahren wird, desto schneller sinken die Kosten." Dies ist das stärkste Argument dafür, die jetzige Entwicklung nicht zu dämpfen.

9. Nachträgliche Anhebung der Vergütungssätze?

Zum Einwand, die Vergütungssätze könnten auch wieder angehoben werden, falls das Wachstum der Photovoltaik hinten den Erwartungen von Photon zurückbleibe:

Dies ist richtig, sofern man die politische Durchsetzbarkeit einer Vergütungserhöhung außer acht lässt. Die entscheidende Frage ist jedoch, was größeren Schaden anrichtet: eine "zu niedrig" oder eine "zu hoch" bemessene Degression. Bei einer "zu niedrigen" Degression "drohen" ein rascherer Ausbau der Photovoltaik und um so raschere Kostensenkungen, die dann später um so zügigere Vergütungssenkungen erlauben; die in der Zwischenzeit erzielten höheren Gewinne stellen ein wichtiges Signal zur Ausweitung der Produktionskapazitäten dar, und die Befürchtungen wegen der dabei auflaufenden hohen "Kosten" sind, wie in meinem Beitrag [1, S. 14-18] ausführlich diskutiert, nicht stichhaltig. Bei einer zu hohen Degression hingegen drohen eine Verlangsamung des Ausbaus der Photovoltaik bis hin zum "Fadenriss", Insolvenzen von Herstellern wie von Installationsbetrieben und eine Beschädigung der Vorbildwirkung, die das EEG bisher auf andere Länder hatte und die zur Aufrechterhaltung hoher weltweiter Wachstumsraten der Photovoltaik entscheidend ist. Zu berücksichtigen ist hierbei insbesondere der Zeitbedarf etwa zur Neuplanung von Solarsiliziumfabriken. Wir haben ja gerade zwischen 2004 und heute erlebt, wie lange Zeit es braucht, derartige Engpässe zu beseitigen.

10. Zum Einwand, PV-Strom sei nicht billiger als durchschnittlicher Spitzenlaststrom:

Dies ist richtig, ist von mir aber auch nicht behauptet worden. Selbstverständlich liegen die durchschnittlichen Spitzenlaststrompreise deutlich niedriger als die maximalen. Letztere steigen bei starken Stromengpässen von Zeit zu Zeit auf einen Euro pro kWh und darüber, am 11. bzw. 12.8.2003 etwa an der Amsterdamer APX auf 1,60 bzw. 1,79 Euro/kWh [9]; ähnliche Preise wurden Ende Juli 2006 erzielt, bedingt durch die Kühlwasserprobleme konventioneller Kraftwerke. Es sei jedoch eingeräumt, dass die Formulierung, der Wert von Spitzenlaststrom liege "nicht selten" über einem Euro/kWh, unpräzise und evtl. missverständlich war.

11. Zum Einwand, ich "möchte den Eindruck erwecken, als wäre Solarstrom seinen Vergütungspreis auch auf Basis der Spitzenlaststrompreise betriebswirtschaftlich wert."

Hier wird die betreffende Passage meines Beitrags aus dem Zusammenhang gerissen. Die Lastspitzen dämpfende Wirkung von Solarstrom ist als eines von vier Argumenten dafür genannt worden, dass meine Berechnungen zu den durch Solarstrom vermiedenen Kosten die positiven Effekte wahrscheinlich noch unterschätzt haben; darin hatte ich nämlich nur die voraussichtlichen Durchschnittskosten von fossilem (überwiegend Mittellast-)Strom gemäß Szenario C in [3] berücksichtigt. Es ging nicht darum, Solarstrom als betriebswirtschaftlich konkurrenzfähig gegenüber durchschnittlichem Spitzenlaststrom darzustellen, sondern auf die teils hohen Unterschiede zwischen den Kosten für Mittellast- und für Spitzenlaststrom hinzuweisen.

12. Die SFV-Betrachtung erstreckt sich bis 2035, nicht bis 2010

Zum Einwand, die Kritik des SFV baue auf einer Betrachtungsweise nur bis zum Jahre 2010 auf:

Tatsächlich habe ich eine bis 2035 reichende Rechnung vorgelegt, wie sich die Kostenbilanz der Photovoltaik verändert, wenn man die externen Kosten der heutigen fossilen Stromerzeugung einbezieht. Um dies zu erkennen, genügt ein Blick auf die Grafiken. Das Ergebnis dieser Rechnung - dass nämlich die bis 2035 installierten Anlagen per Saldo mindestens 300 Milliarden Euro einsparen - hatte meinem Beitrag sogar den Titel gegeben. Photon hingegen hatte nur bis 2019 gerechnet [4] und über weite Strecken mit den angeblich exorbitanten Kosten der bis 2010 installierten Anlagen argumentiert. Der Zeitraum bis 2019 erweist sich dabei als für die Photovoltaik denkbar ungünstig gewählt, wie in [1, S. 8f.] näher ausgeführt ist.

13. Externe Kosten und Arbeitsplatzeffekte vernachlässigt

Zum Einwand, der volkswirtschaftliche Nutzen der Solarförderung finde sich im angenommenen Wert des Solarstroms wieder, der den Photon-Kalkulationen zugrunde liege:

Als Wert des Solarstroms setzt Photon in [4] lediglich die vermiedenen Kosten des substituierten Börsenstroms an, zuzüglich einem Zuschlag von 2,5 Ct/kWh für vermiedene Netznutzungsentgelte (die sich daraus erklären, dass verbrauchsnah erzeugter und ins Niederspannungsnetz eingespeister Solarstrom nicht auf höhere Spannungen transformiert und über größere Entfernungen transportiert werden muss). Unberücksichtigt bleiben sowohl die eingesparten externen Kosten der fossilen Kraftwerke (Kosten der Klimaveränderung und Luftverschmutzung) als auch die Mobilisierungswirkungen des Solarbooms auf brachliegende volkswirtschaftliche Ressourcen, insbesondere die Arbeitsplatzeffekte. In eine umfassende volkswirtschaftliche Betrachtung müssten diese positiven Effekte mit einbezogen werden. Genau dieses Versäumnis ist das zentrale Thema meines Textes. Der von Herrn Schüßler als Beleg für seinen o.g. Einwand angeführte Artikel [5] aus Photon 6/2007 erwähnt zwar die Einsparung externer Kosten durch die Solarstromnutzung, diese fließen jedoch gerade nicht in die Kalkulation des Solarstromwerts ein.

14. Mit 8 Euro pro Bürger und Monat werden nicht 2%, sondern 15% Solarstrom möglich

Zum Einwand, die von mir genannte Umlage von 8 Euro pro Bundesbürger und Monat für die Solarstromvergütungen beziehe "sich nur auf alle bis zum Jahr 2010 voraussichtlich in Deutschland neu installierten Solarstromanlagen. Es würden dann rund zwei Prozent des deutschen Strombedarfs aus Solarenergie erzeugt." Diese Kosten würden sich bei Beibehaltung der jetzigen Degression etwa alle zwei Jahre verdoppeln, so dass 2016 eine Belastung von 256 Euro pro Vierpersonenhaushalt und Monat erreicht sei.

Wie im Hauptteil erläutert, decken die genannten 8 Euro bereits die Differenzkosten für alle bis 2019, nicht nur für die bis 2010 installierten Anlagen ab (unter der Annahme, dass die Entwicklung dem von Photon selbst in [4] als am wahrscheinlichsten eingestuften Szenario folgt). Es würden damit 15% und nicht nur 2% Solarstromanteil finanziert. Eine mehrfache Verdoppelung dieser Kosten alle zwei Jahre auf schließlich 256 Euro pro Haushalt und Monat entbehrt somit jeder Grundlage.

Belege: In [4] schreibt Photon: "Bei weiterhin starkem Wachstum könnten es im Jahr 2019 schon fast 15 Prozent [Solarstromanteil, J.G.] sein. Das würde bei der derzeit angestrebten Vergütungsdegression unterm Strich eine Viertel Billion Euro kosten [...]." Ich hatte hierauf erwidert: "Die von Photon genannten Vergütungen von 250 Milliarden sind im Wesentlichen zwischen 2007 und 2039 zu erbringen, was einer durchschnittlichen jährlichen "Belastung" von 7,6 Milliarden Euro entspricht. Dies sind im Schnitt gerade einmal 8 Euro pro Bundesbürger und Monat [...]."

Zudem handelt es sich bei jenen 8 Euro um rein fiktive "Belastungen", denen erhebliche positive Effekte durch sinkende Arbeitslosigkeit, Einsparungen an externen Kosten usw. gegenüberstehen. Daher dürfen die EEG-Umlagen gerade nicht mit Konsumverzicht erzwingenden (Opportunitäts-)Kosten identifiziert werden. Allein die Einsparungen an externen Kosten kompensieren diese Mehraufwendungen völlig, sofern man alle bis 2022 installierten Anlagen berücksichtigt [1, S. 8].

15. Vierzig Prozent Wachstum jährlich bei verschlechterten Rahmenbedingungen?

Zur Aussage, der Vorschlag des Bundesumweltministeriums erlaube 50 Prozent Solarstrom bis zum Jahre 2020:

Zunächst ist festzustellen, dass 50% Solarstrom bis 2020 nicht im Entferntesten in der Absicht des BMU liegen. Ziel der Bundesregierung sind lediglich 25 bis 30% Anteil aller Erneuerbaren im Strombereich bis 2020. Die Leitstudie 2007 [3] im Auftrag des BMU geht sogar von einem stagnierenden Photovoltaik-Markt und einer bis 2020 installierten Gesamtleistung von 10 GWp aus, was einem Solarstromanteil von nicht einmal 2% entspräche.

Um die genannten 50% zu erzielen, müsste die installierte Leistung in Deutschland über die 13 Jahre bis 2020 jährlich um durchschnittlich 40% wachsen. Eine solch hohe Wachstumsrate über einen derart langen Zeitraum wird aufgrund der Dynamik exponentiellen Wachstums und des dabei auftretenden sog. Basiseffekts nicht ohne Weiteres durchzuhalten sein. Die Entwicklung der Windenergie in Deutschland liefert hierfür ein mahnendes Anschauungsbeispiel: Nach anfänglich rasantem, näherungsweise exponentiellem Wachstum ist in den letzten Jahren der jährliche Zubau ungefähr konstant geblieben (und deutlich unter dem Höchststand von 2002, vor der Novellierung des EEG, bei der auch die Degression der Windkraftvergütung erhöht worden war); die Entwicklung verläuft seither nur noch linear, nicht mehr exponentiell.

50% Solarstrom bis 2020 sind selbstverständlich durchaus vorstellbar und wünschenswert. Sie sind aber alles andere als ein Selbstläufer, wie die unkritische Fortschreibung heutiger Wachstumsraten über 13 Jahre suggeriert. Vielmehr bedarf es dafür attraktiver Einspeisevergütungen. Eine Verschlechterung des EEG wäre Gift für das aufkeimende Pflänzchen des Solarbooms.

Quellen:

[1] Grahl, J.: Die 300-Milliarden-Euro-Chance

[2] Kreutzmann, A.: Kosten-, Preis- und Glaubensfragen, Photon 3/07, S. 28-29

[3] Nitsch, J.: Leitstudie 2007: Ausbaustrategie Erneuerbare Energien - Aktualisierung und Neubewertung bis zu den Jahren 2020 und 2030 mit Ausblick bis 2050. Untersuchung im Auftrag des Bundesumweltministeriums, Stuttgart 2007

[4] Podewils, C.: Das 150-Milliarden-Euro-Ding, Photon 5/07, S. 16-19

[5] Podewils, C.: Solarer Wertewandel, Photon 6/07, S. 16-19

[6] Quaschning, V.: Installierte Photovoltaikleistung in Deutschland

[7] Quaschning, V.: Installierte Photovoltaikleistung verschiedener Länder

[8] Schüßler, B. / Pressemitteilung der Photon: Stellungnahme von Photon zu "Die 300-Milliarden-Euro-Chance" des Solarenergie-Fördervereins Deutschland e.V. (abgerufen am 26.8.2007 – da der ursprüngliche Link leider nicht mehr funktioniert, haben wir die ursprüngliche Pressemitteilung hier verfügbar gemacht)

[9] Spitzenstrom an Amsterdamer Börse weit teurer als Solarstrom, Meldung von Boxer Infodienst vom 12.8.2003

[10] Bundesverband Solarwirtschaft: Statistische Zahlen der deutschen Solarwirtschaft, Juni 2007


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