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Gerhard Hübener

Hoffnungsvoll in den Abgrund

Eine kritische Auseinandersetzung mit den Thesen von Götz Werner

Wer hätte vor ein paar Jahren für möglich gehalten, dass man (in Deutschland!) mit politischen Visionen Säle füllen kann. Einem Mann gelingt genau das: Götz Werner, Gründer der dm-Drogeriekette, inzwischen auch Professor in Karlsruhe. Seit er in überregionalen Zeitungen mit einer Anzeigenkampagne für sein Modell eines Bedingungslosen Grundeinkommens geworben hat, kann er sich vor Einladungen kaum retten. Tausende Leser schreiben ihm nach jedem Interview. "Nichts ist so stark wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist" sagt er überzeugt. Eine kritische Auseinandersetzung mit seinen Thesen.

(Januar 2007, ergänzt 02.01.08. Beachte die Anmerkung vom 06.04.08 am Ende des Artikels.)

"Die Leute haben plötzlich wieder Hoffnung."

-Götz Werner [13]

"Wenn es Sie nicht geben würde, müßte man Sie erfinden."

-Wolfgang Engler, Soziologe [13]

Abb. 1: Götz Werner, der Visionär

"Nach unserem Modell hätte jeder einen gesetzlichen Anspruch auf eine Betrag in Höhe von durchschnittlich 1.200 Euro [Fußnote]In Interviews mit dem STERN(6) und brand eins (2) spricht er sogar von 1.500 Euro. Dann würde der Finanzbedarf 1,5 Billionen Euro betragen. Andere Initiativen sind da zurückhaltender. Katja Kipping, MdB/PDS und Sprecherin des „Netzwerks Grundeinkommen“: „Die Vorschläge im Netzwerk Grundeinkommen reichen von 700 bis 1.500 Euro.“ (6)." [4]

Dieser Anspruch wäre, so Götz Werner, schrittweise in etwa 15 bis 20 Jahren zu realisieren [Fußnote]Zeitraum-Angabe in (5), S. 41. Der Finanzbedarf dafür würde allerdings bis auf 1,2 Billionen Euro pro Jahr klettern. Die Summe aller Sozialausgaben liegt derzeit bei etwa 730 Mrd. Euro. Dieser jetzt schon als viel zu hoch beklagte Etat soll also noch einmal um über 60 Prozent ansteigen? Wie soll das finanziert werden?

Über eine Konsumsteuer, die dann allerdings bis auf 50 Prozent steigen könnte. Alle anderen Steuern, auch die Einkommenssteuer würden wegfallen. [Quelle]

Um diese 1,2 Billionen Euro über eine 50prozentige Konsumsteuer in die Taschen des Staates fließen zu lassen, müssten Waren und Dienstleistungen im Wert von 3,6 Billionen Euro konsumiert werden. Zum Vergleich: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP), die Summe aller in Deutschland erzeugten Waren und Dienstleistungen zu Marktpreisen, betrug im Jahr 2005 "nur" 2,25 Billionen Euro [Fußnote]2,4 Billionen Euro Netto plus 1,2 Bio. Euro Konsumsteuern = 3,6 Bio. Euro Brutto. Hier werden bewusst die Bruttoausgaben und -preise verglichen, weil die Steuern (nach G.W. in (9)), konstant bleiben sollen.. Mit diesen 1,2 Billionen Konsumsteuern wären allerdings nur die Ausgaben für das Grundeinkommen gedeckt. Um alle "sonstigen" Aufgaben des Staates, wie Bildung, Infrastruktur, Polizei, Verwaltung etc., erfüllen zu können, müsste das BIP und die Konsumausgaben also noch deutlich höher steigen. Wahrscheinlich geht Götz Werner von einem stärkeren Wirtschaftswachstum aus.

"Aber am Ende wird der Produktivitätsfortschritt in der Gesellschaft so gewaltig sein, dass genügend Geld zur Verfügung steht." [4]

Produktivitätswachstum ist leider nicht identisch mit Wirtschaftswachstum. Was nutzt eine Verdopplung der Produktivität, wenn der Markt nicht doppelt soviel Produkte aufnehmen kann? Aber vernachlässigen wir diese Frage vorerst. Mein Taschenrechner sagt mir: das Wirtschaftswachstum müsste bei durchschnittlich 4 Prozent liegen, und das zwanzig Jahre lang. Dann würde das Wirtschaftsprodukt auf das 2,2-fache des jetzigen BIP gestiegen sein, auf knapp 5 Billionen Euro. Gesamtausgaben in dieser Höhe würden Steuereinnahmen in Höhe von 1,65 Billionen Euro bringen. Abzüglich der oben genannten Ausgaben für das Grundeinkommen in Höhe von 1,2 Billionen Euro würden also 450 Mrd. Euro für alle sonstigen Aufgaben übrig bleiben. Ob da vier Prozent ausreichen? (Berechnung siehe Tabelle 1 in den Kommentaren am Ende des Artikels) Aber bleiben wir erstmal bei diesen vier Prozent - wobei wir die Frage nach der globalen Umweltverträglichkeit eines solchen Wirtschaftswachstums ebenfalls außer acht lassen wollen: Wie soll solch ein extrem hohes Wirtschaftswachstum realisiert werden?

Durch konsequente Automatisierung.

Nach Einführung eines Grundeinkommens wäre die Wirtschaft endlich befreit von der lästigen Forderung, Arbeitsplätze zu erhalten. Sie könnte sich auf das konzentrieren, was sie am besten kann: die Produktion so effizient wie möglich zu organisieren. Sascha Liebermann von der Initiative Freiheit statt Vollbeschäftigung: "Warum Automatisierungschancen nicht nutzen, wenn wir die Möglichkeiten haben, noch mehr Arbeitsplätze abzubauen? Ein Verzicht auf Automatisierung würde ja dem Verzicht auf einen Zugewinn von Freiheit gleichkommen… Jeder Verzicht auf Automatisierung entwertet Leistung…" [Quelle]. Das sieht Götz Werner ganz genau so.

"Aufgabe der Wirtschaft, abgesehen von der Güterproduktion, ist es, die Menschen von der Arbeit zu befreien." [5]

Vielleicht erinnern sich manche an die Ergebnisse einer Zukunftskonferenz, die 1995 auf Einladung von Gorbatschow in San Francisco stattfand (beschrieben von den Spiegel-Autoren Hans-Peter Martin und Harald Schumann in ihrem Bestseller "Die Globalisierungsfalle" [8]). Die 500 dort versammelten Politiker, Spitzenmanager und Wissenschaftler formulierten ihr Zukunfts-Szenario mit zwei charakteristischen Begriffen: "20:80" und "Tittytainment": In nicht allzu weiter Zukunft werden weltweit nur noch 20 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung gebraucht, um alles Lebensnotwendige zu erzeugen. Tittytainment ist das daraus abgeleitete "Maßnahmenpaket", um die unbeschäftigten Massen staatlich zu versorgen und mit medialer Dauerberieselung ruhig zu stellen… Götz Werner bestätigt diese Einschätzung: "Der Wirtschafts-Nobelpreisträger Milton Friedmann geht davon aus, dass in ein paar Jahren wegen des technischen Fortschritts nur noch zwanzig Prozent Arbeit haben" [5]. Und das soll tatsächlich wünschenswert sein?

"Die alten Griechen waren da weiter… Bei ihnen war Muße das Ziel, nicht die Arbeit. Für die Arbeit hatten sie ihre Sklaven." [3], [9]

Der beliebte Vergleich mit den alten Griechen hinkt leider ein wenig. Wenn das oben beschriebene Szenario zutrifft, passt das Bild vom alten Rom besser: auf der einen Seite die Aristokraten und reichen Familien, auf der anderen Seite die von der Arbeit "befreiten" Plebejer - die mit Brot und Spielen ruhig gestellt werden mussten. Leider hätten wir unter diesen Umständen gar nicht mehr die Freiheit zu wählen, ob wir arbeiten wollen oder nicht. Arbeit und damit Zusatzeinkommen gibt es dann nur noch für eine Minderheit. Jeremy Rifkin: "In Zukunft wird Arbeit etwas für Eliten sein. ...Top-Ärzte, Top-Anwälte oder Topdesigner… Aber Durchschnittsqualität kann ein Computer oder ein Roboter billiger liefern." [11] Unter diesen Umständen würde Arbeit wohl - Ironie der Geschichte - zum neuen Status-Symbol werden.

Es gibt genügend andere Arbeit oder sinnvolle Beschäftigung in Bildung, Kultur, Sozialarbeit und Umweltschutz.

Natürlich gäbe es dort eigentlich genug zu tun. Positiv wäre auch, dass nach der von Götz Werner geplanten Abschaffung der Lohnnebenkosten die Arbeitskosten sinken würden (auch wenn die hohe Mehrwertsteuer gerade im Dienstleistungsbereich wie eine neue Lohnsteuer wirkt). Es ist aber zu vermuten, dass nur ein geringer Teil der in der Wirtschaft ausrangierten Arbeitskräfte in diesen Bereichen einen (Einkommens-)Platz finden wird. Denn die Finanzierung hängt, wie wir sehen, auch weiterhin von der ungewissen Lage der öffentlichen Finanzen ab. Man könnte diese Arbeiten natürlich auch von ehrenamtlichen Kräften machen lassen (schließlich sind wir alle "grundversorgt"). Was aber, wenn dieses Einkommen tatsächlich nicht mehr als eine Grundversorgung auf niedrigem Niveau ist - weil entweder das erhoffte Wirtschaftswachstum von vier Prozent nicht erreicht wird oder weil die in zwanzig Jahren erreichten 1.200 Euro, relativ zum inzwischen mehr als verdoppelten Reichtum der Gesellschaft, nur noch die Hälfte wert sind? Dann haben wir dasselbe Problem wie jetzt - dass billige 1-Euro-Jobber anderen die Arbeit wegnehmen. Damit würden die Möglichkeiten zur Aufbesserung des Grundeinkommens drastisch eingeschränkt werden. Leider liegen diese Arbeiten bisher vor allem im öffentlichen Sektor. Und die Möglichkeiten des Staates werden, wie wir sehen, auch in Zukunft von der ungewissen Kassenlage abhängen.

Man könnte diese Bereiche natürlich auch privatisieren:

"Soziale Einrichtungen wie Kindergärten, Schulen und Krankenversorgung könnten schleunigst privatisiert, dadurch aber erheblich teurer werden." [14]

Die Leistungen würden dann eben nicht aus den Steuereinnahmen finanziert werden (mehrheitlich von der Minderheit der Netto-Steuerzahler, siehe unten), sondern von den Nutzern der Dienstleistungen. Im Ergebnis hätten wir wohl bald ein neues Duales System: staatliche Grundversorgung und eine privat finanzierte Zusatzversorgung. Zwei-Klassen-Medizin und Zwei-Klassen-Bildung. Im Bereich der Bildung eigentlich auch logisch: warum soll der Staat eine teure Ausbildung für alle finanzieren, wenn eine kleine Elite für anspruchsvolle Arbeiten ausreichend ist? Bei den öffentlichen Schulen wird es dann wohl weniger um Berufsvorbereitung gehen als um "Lebenshilfe": um Motivation für eine Zukunft ohne Arbeit. Nur: wie überzeugend werden solche Konzepte sein, wenn für die besser gestellte Elite ein völlig anderes Ideal gilt: nämlich Arbeit und Leistung? Und Leistung soll entsprechend gewürdigt werden.

Das Einkommen soll steuerfrei sein. [Fußnote]Hier unterscheidet sich das Konzept von Götz Werner von dem anderer Grundeinkommensbefürworter, welche zur Finanzierung entweder generell höhere Einkommenssteuern oder solche für hohe Einkommen vorsehen.

Für Götz Werner ist das jetzige Steuersystem falsch, weil leistungsfeindlich. Das Einkommen ist letztlich ein Maßstab für Leistung. "Je mehr ich als Einzelner leiste, je mehr ich mit meinen Talenten wuchere, desto höher ist der Ertrag für die Gemeinschaft" [2]. Deswegen soll das Einkommen grundsätzlich steuerfrei sein. Der geltende Grundsatz der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit (der bisher mit Hilfe diverser Steuerschlupflöcher umgangen werden musste) soll nun völlig abgeschafft werden. Gilt diese Begründung auch für die Bezieher leistungsloser Einkommen aus Zinsen und Erbschaften, Börsenspekulationen, aus extrem hohen Abfindungen (Ackermann & Co.), aus hoch dotierten Werbeverträgen? Offensichtlich.

Die Erzielung notwendiger Einnahmen über die Konsumbesteuerung ist kein Problem. Sie ist sogar realistischer als die jetzige Besteuerung.

Nettozahler und damit Träger des ganzen Finanzsystems sind aber nur diejenigen, die mehr Konsumsteuer bezahlen, als sie Grundeinkommen bekommen. Angenommen, dieses beträgt 1200 Euro und die Konsumsteuer liegt bei 50 Prozent, dann muss ich mehr als 3.600 Euro pro Monat und Person konsumieren (2.400 Euro Netto plus 1.200 Konsumsteuer), um überhaupt in den Bereich der Netto-Steuerzahler zu kommen. Bei 1.500 Euro Grundeinkommen würde die Grenze sogar bei 4.500 Euro liegen. Alle, die weniger verbrauchen - sei es, weil sie mit ihrem Grundeinkommen zufrieden sind, sei es, dass sie keine Arbeit zum Zuverdienen finden - bleiben von Steuereinnahmen abhängige Nettoempfänger. Nehmen wir als Zukunftsmodell das 20:80-Szenario an. Die Finanzierung dieses ganzen Systems wäre dann davon abhängig, dass die "Besserverdienenden" in Saus und Braus leben. Was aber, wenn diese so unsozial werden, dass sie den Konsum verweigern? Oder aber dem Beispiel russischer Ölmilliardäre folgen und ihr Geld im Ausland verprassen, sich dort (warum nicht in Deutschland?!) eine Fußballmannschaft kaufen oder eine teure Schöne irgendwo in Südamerika? Der zu einer Art Hausmeister degradierte Staat (ohnehin auf einem in Jahrzehnten angewachsenen Schuldenberg sitzend) müsste bei diesen um Spenden betteln, um seine Aufgaben halbwegs erfüllen zu können…

Schluss mit Schwarzarbeit!

Götz Werner geht davon aus, dass mit Streichung der Lohnnebenkosten die Ursache für Schwarzarbeit beseitigt sein wird. Eine 50prozentige Konsumsteuer lädt aber genau wie die bisherigen Lohnnebenkosten dazu ein, durch Schwarzarbeit umgangen zu werden. Es werden dieselben Jobs sein wie schon jetzt: Handwerk, haushaltsnahe Dienstleistungen, Gaststättengewerbe, Pflegedienste. Mit dem Abbau der regulären Arbeitsplätze in der Wirtschaft wird das Angebot an Arbeitswilligen sogar noch steigen und damit der Druck in Richtung Schwarzarbeit. Damit sägt der kleine Mann zwar mit an dem Ast, auf dem wir alle sitzen, aber für ihn gilt der alte Grundsatz: jeder ist sich selbst der Nächste… Vielleicht würde man sich dann an einen Vorschlag von Ministerpräsident Althaus erinnern; dieser schlägt in seinen Bürgergeld-Thesen vor, bei Schwarzarbeit die Zahlung des Bürgergeldes einzustellen und durch Gutscheine zum Lebensunterhalt zu ersetzen [9]. Die totale Kontrolle der entsprechenden Personengruppen wird technisch kein Problem sein. Der Staat müsste es sogar tun - zum Schutz des Gemeinwohls…

Und natürlich ist das Konzept auch ökologisch:

"Wer viel konsumiert, zahlt viel Steuern, wer sparsam lebt, zahlt wenig Steuern. Denn er benutzt auch weniger die Straße, die Flugplätze, verbraucht weniger Energie, produziert weniger Müll." [2]

Leider ist der Zusammenhang zwischen Konsumsumme und Umweltbelastung eher zufällig: Ich kann mit einem Billigflieger Kosten sparen und gleichzeitig das Klima anheizen, während mein Nachbar umweltfreundlich mit der Bahn fährt, dafür mit höheren Preisen und Steuern bestraft wird. Natürlich könnte die Konsumsteuer auch nach ökologischen Kriterien gestaffelt werden. Oder nach anderen:

"Die Ökosteuer wird nicht am Pol des Konsums erhoben, sondern am Pol der Erzeugung… Als wäre es kein Unterschied, ob ich mit dem Benzin einen Panzer betanke oder einen Krankenwagen."

-Götz Werner [9]

Aber wenn der Panzer für eine Friedensmission fährt, was dann?

Wer nun immer noch Zweifel am Konzept hat, sollte zurück auf "Start" gehen: mit vier Prozent und mehr Wachstum ist alles zu regeln, auch die Beseitigung von ökologischen Folgeschäden. Natürlich würden alle unser erfolgreiches Modell übernehmen wollen. Den Klimaschutz können wir dann aus der Portokasse bezahlen. Götz Werner sei Dank…

P.S.: Götz Werner hat durchaus recht: die Wirtschaft steuert tatsächlich in Richtung des oben beschriebenen "20:80"-Szenarios. Die Frage ist nur, ob es außer der Anpassung an diesen Trend nicht noch andere Szenarien gäbe (siehe Zeitenwende bei den Wirtschaftswissenschaften?, Produktionsfaktor Energie - Der stille Riese, Arbeitsplätze und Soziale Gerechtigkeit – Aber wie?). Um Sascha Liebermann von der Initiative „Freiheit statt Vollbeschäftigung“ zu zitieren:

"Statt darauf hinzuwirken, die Missstände zu beseitigen, erklären wir sie zum Naturgesetz oder zum Sachzwang" [Quelle]

(Januar 2007)

Anmerkung 06.04.08:

Ich muss leider feststellen, dass ich einem Missverständnis erlegen bin bezüglich der Höhe der von Götz Werner geforderten Mehrwertsteuer. Er spricht in mehreren Interviews (siehe [5]) von einer Mehrwertsteuer in Höhe von bis zu 50 Prozent. Üblicherweise wird die Höhe der Mehrwertsteuer auf den Nettopreis bezogen. Seine Angaben beziehen sich aber auf den Bruttopreis. Korrekterweise muss es also heißen: eine Mehrwertsteuer in Höhe von 100 Prozent [Fußnote]siehe http://www.unternimm-die-zukunft.de/Archiv/Gesammelte_Beitraege_II.pdf . Ich habe nach Prüfung der Argumente darauf verzichtet, den Artikel umzuschreiben. Was würde sich aber ändern gegenüber der hier angenommenen Höhe von 50 Prozent?

Quellen:

[2] brand eins 03/2005: Wir leben in paradiesischen Zuständen. Interview mit Götz Werner. (In [1], S. 21 ff.)

[3] Tagesspiegel 7.6.06: Droge Arbeit

[4] SPIEGEL ONLINE 30.11.05: Wir würden gewaltig reicher werden

[5] STERN Nr. 17/2006: Das manische Schauen auf Arbeit macht uns alle krank. (in [7], S. 35 ff.)

[6] STERN 24.1.06: Soll Nichtstun bezahlt werden, Frau Kipping?

[8] H.-P. Martin, H. Schumann: "Die Globalisierungsfalle", Rowohlt 1996

[9] Bankspiegel 1/2006: Interview mit Götz Werner und Benediktus Hardorp, in [1], S. 53

[10] Stuttgarter Zeitung online 29.04.05, Interview mit Jeremy Rifkin: Langfristig wird die Arbeit verschwinden

[11] Dieter Althaus: Thesen zum Solidarischen Bürgergeld, Punkt 3.4. (siehe www.d-althaus.de)

[13] SPIEGEL 1/2007: Der Wanderprediger


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Impressum

4 Kommentare & Leserbriefe zu diesem Artikel

15.06.07 | von André Presse, im Auftrag von Prof. Götz Werner: "Ja" zum bedingungslosen Grundeinkommen

Erfreulicherweise haben sich mittlerweile viele Menschen mit dem Thema Grundeinkommen auseinandergesetzt. Ich gebe Ihnen jedoch Recht, dass es noch viel zu wenige sind. Wenn Sie sich mit dem Thema noch einmal eingehend befassen, werden Sie feststellen, dass das Grundeinkommen substitutiv gezahlt werden soll und daher der von Ihnen veranschlagte Finanzierungsaufwand zu hoch angesetzt ist. Begonnen werden soll mit 800 EUR brutto bzw. 600 EUR netto. Das Sozialbudget würde annähernd ausreichen, das Grundeinkommen zu finanzieren. Wächst die Wirtschaft wie erwartet, sind auch die von Ihnen genannten Summen – in immerhin zwanzig Jahren – denkbar.

Werden das Grundeinkommen und andere Staatsausgaben über die Konsumsteuer finanziert, können die übrigen Steuern hierfür gesenkt und schließlich abgeschafft werden. Da diese heute schon in unseren Preisen enthalten sind, würden diese aufgrund des Wettbewerbs sinken, und die Konsumsteuererhöhung würde nicht zu einer Erhöhung des Preisniveaus führen.

Dass nur noch "20 Prozent der Menschen Arbeit haben" bezieht sich auf die automatisierbaren, monotonen und lästigen Tätigkeiten. Den Kulturaufgaben, von der Familien- und Erziehungsarbeit über die Bildung und Wissenschaft bis hin zur Pflege, all diesen Aufgaben soll durch ein Grundeinkommen das Fundament gegeben werden, dass Ihnen heute fehlt bzw. unzureichend ist. Dass die Menschen den Tätigkeiten nachgehen, die sie für sinnvoll und richtig halten und nicht mehr jene, die andere sie ausführen lassen wollen, erscheint mir in der Tat wünschenswert.

Der Umweltaspekt ist sehr wichtig. Die Konsumsteuer besteuert implizit auch den Verbrauch von Ressourcen, denn nur mit ihnen kann Wertschöpfung stattfinden. Genügt dies nicht, sollten "Nachhaltigkeitsgrenzen" weltweit festgelegt werden und die Emmissions- und Abbaukontingente weltweit (an Unternehmen) versteigert werden. Kyoto ist ein erster Ansatz, trägt aber kolonialistische Züge (weil es die Emissionsrechte auf den damaligen Emissionsanteilen der Länder zementiert). Die Erträge aus der Versteigerung sollten Pro-Kopf an die Weltbevölkerung ausgezahlt werden. Auch dies kann ein Weg zur Finanzierung eines (womöglich jedoch noch nicht hinreichenden) Grundeinkommens sein.

Das konsumsteuerfinanzierte Grundeinkommen ist ein solcher Steuerungsmechanismus, wie Sie ihn für die Marktwirtschaft fordern.

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20.06.07 | von Gerhard Hübener: Antwort

Danke für die Reaktion auf meinen Artikel. Gestatten Sie ein paar Anmerkungen dazu:

1. Habe ich den Finanzierungsaufwand zu hoch angesetzt?

Ich rede von den Zielvorstellungen, die Prof. Werner öffentlich genannt hat. Um das angestrebte Grundeinkommen von 1.200 Euro (mit einem Finanzbedarf von 1,2 Billionen Euro in zwanzig Jahren) auszahlen zu können, müsste das Bruttoinlandsprodukt jährlich um mindestens 4 Prozent (!) steigen, von jetzt 2,25 Billionen Euro auf dann knapp 5 Billionen Euro. Die Konsumsteuereinnahmen aus dieser Bruttoproduktion würde 1,65 Billionen Euro (bei 50 Prozent Konsumsteuer = ein Drittel des Bruttowertes) betragen. Bei 1.500 Euro (diese Summe wurde von Götz Werner in mehreren Interviews genannt) würde der Finanzbedarf sogar auf knapp 1,5 Billionen steigen. Dann müsste die Wirtschaftsleistung um mindestens 5 Prozent steigen, ebenfalls zwanzig Jahre lang. Ob das realistisch und wünschenswert ist, darf wohl bezweifelt werden. (Berechnungen siehe Tabelle 1 unten).

2. Worauf beziehen sich die 20 Prozent?

Der Trend zur Automatisierung betrifft leider nicht nur die monotonen und lästigen Tätigkeiten. Schließlich ergibt sich diese Entwicklung nicht aus einem Wohltätigkeitsimpuls, sondern aus Effektivitätsgründen. Und diese sprechen eindeutig dafür, die teure und in weiten Bereichen "uneffektive" menschliche Arbeit durch billige und hocheffiziente "Energiesklaven" zu ersetzen. Die Automatisierbarkeit aller Tätigkeiten scheint unter den gegenwärtigen Bedingungen tatsächlich nur eine Frage der Zeit zu sein. Nach der Industrie folgen schon jetzt Dienstleistungen wie Banken, Versicherungen, Handel, Projektierung, Finanzbuchhaltung etc. Irgendwann gilt: Roboter sind (fast überall) kostengünstiger, effektiver, flexibler, einfacher zu handhaben.

Übrigens auch im sozialen und Bildungsbereich. Die erste Generation der Pflegeroboter ist bereits in der Erprobungsphase. In Korea sind die ersten Roboter zur Kinderbetreuung auf dem Markt. Und E-Learning wird im Bedarf den Lehrer ersetzen können (oder aus Kosten-gründen müssen, wie z.B. in den schon jetzt kinderarmen ländlichen Regionen der Neuen Bundesländer).

3. Ob wir uns in einer derartigen Zukunft die Arbeit noch aussuchen können, darf ebenfalls bezweifelt werden.

Eher sieht es so aus, dass wir mit dem Grundeinkommen "ruhig gestellt" werden sollen. Genau dies wurde auf der zitierten Zukunftskonferenz 1995 in San Francisco ernsthaft diskutiert:

"Nüchtern diskutierten die Manager die mögliche Dosierung, überlegen, wie denn das wohlhabende Fünftel den überflüssigen Rest beschäftigen könne. Soziales Engagement der Unternehmen sei im globalen Wettbewerbsdruck unzumutbar, um die Arbeitslosen müssten sich andere kümmern. Sinnstiftung und Integration erwarten sich die Diskutanten vom weiten Feld der freiwilligen Gemeinschaftsdienste, bei der Nachbarschaftshilfe, im Sportbetrieb oder in Vereinen aller Art. "Diese Tätigkeiten könnte man doch durch eine bescheidene Bezahlung aufwerten und so die Selbstachtung von Millionen fördern", meint Prof. Roy." [1, S.13]

Ob es von den Protagonisten der gegenwärtigen Debatte so gedacht ist oder nicht, spielt keine Rolle – in der Konsequenz folgt das Grundeinkommens-Modell genau dieser Forderung. Es soll uns den angeblich unvermeidlichen Weg in die 20:80-Gesellschaft versüßen.

3. Zum Umweltaspekt:

Götz Werner geht davon aus, dass das Preisniveau im Prinzip gleich bleibt, da mit der Erhöhung der Konsumsteuer alle anderen Steuern und Abgaben (offensichtlich auch Umwelt- und Energiesteuern) gestrichen werden sollen. Wo soll da die umweltpolitische Lenkungswirkung sein? Im Gegenteil: durch die steuerliche Entlastung der Unternehmen werden Mittel freigesetzt, die zu einer verstärkten Investition in Automatisierungsprozesse führen werden. Damit wird die Massenproduktion und der damit verbundene Ressourcenverbrauch eher beschleunigt werden.

4. Das Ausweichen auf globale Lösungen hört sich ja gut an.

Nur wissen wir aus Erfahrung, dass solche Lösungen immer nur auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner gefunden werden. Die von Ihnen vorgeschlagene Ausweitung des jetzigen Emissionshandels ist eine Scheinalternative. Nicht nur, dass Sie auf Verhältnisse setzen, die im Moment utopisch erscheinen. Soviel Zeit haben wir allem Anschein nach nicht. Das gewünschte Instrument ist zudem, wie sich beim CO2-Handel zeigt, äußerst uneffektiv und fehleranfällig. Weitaus attraktiver und effektiver als die Ausweitung des Emissionshandels ist die sofort und auch im nationalen Alleingang zu realisierende Energiesteuerreform: die Besteuerung von Energie statt Arbeit.

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01.01.08 | von Horst Reißlandt: Berechnungen klaffen auseinander

Im Bericht "Hoffnungsvoll in den Abgrund" stellt Herr Hübener seine am Schreibtisch mit dem Taschenrechner gemachten Berechnungen vor, im Gegensatz zum bedingungslosen Grundeinkommen, wie es Götz Werner in der Öffentlichkeit vorstellt. Beide Berechnungen klaffen auseinander.

Ich kann die von G. Werner nachvollziehen, die von G. Hübener nicht. Hat doch G. Werner in der Praxis bewiesen, kein schlechter Rechner zu sein. Das Ziel sich für ein einschneidendes, durchschaubares Steuersystem stark zu machen, ist wohl von beiden Herren oberstes Gebot. Wenn zwei Menschen im Grunde das Gleiche wollen, wäre es doch angebracht die Energie darauf zu verwenden, Gemeinsamkeiten zu vereinen, anstatt die Idee von G. Werner als "Sturz in den Abgrund" darzustellen. Aus mehreren guten Ideen, darunter auch die Energiesteuer, ließe sich doch etwas Brauchbares Formen.

Vielleicht erläutert Herr Hübener im nächsten Heft des SFV seine Vorstellungen über das Thema "Öko-Soziale Steuerreform". Mir ist noch keine Veröffentlichung von Ihm begegnet. Ich stimme G. Werner zu, das bed. Grundeinkommen ließe sich ohne Wirtschaftswachstum verwirklichen. Natürlich muss sich eine Bewusstseinänderung in der Bevölkerung vollziehen und Machtgelüste vieler Politiker, Behörden und Unternehmen verschwinden. Das kann Generationen dauern.

Zu G. Werners Aussage in Bezug auf die Ökosteuer: "Es sei ein Unterschied, ob ich mit dem Benzin einen Panzer betanke oder einen Krankenwagen." Den Einwand dazu von G. Hübener bedaure ich sehr, er fragt: "Aber wenn der Panzer für eine Friedensmission fährt?". Er hat wohl vom letzten Weltkrieg nichts mitbekommen. Ein Panzer ist eine zerstörerische Kriegsmaschine, ohne jeden Nutzen für Mensch und Umwelt, und kann niemals für eine Friedensmission fahren.

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02.01.08 | von Gerhard Hübener: Antwort

Ein paar Anmerkungen zu Ihren Fragen:

1. Die von mir genannten Zahlen stimmen im Prinzip mit dem überein, was in diversen Interviews genannt worden ist. (Siehe SPIEGEL-online 30.11.05 und STERN 17/2006). Beide erwähnen die Zahl von 1,4 Billionen Euro. Mal jedoch für 1200 Euro, mal für 1500 Euro = 1,4 Billionen. Sie können es selbst nachrechnen:

Variante A - 1.200 Euro pro Kopf in 20 Jahren Variante B - 1.500 Euro pro Kopf in 20 Jahren
Finanzbedarf: 1.200 Euro * 12 Monate * 82 Millionen Einwohner = 1.180 Mrd. Euro 1.500 Euro * 12 Monate * 82 Millionen Einwohner = 1.480 Mrd. Euro
Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP): [Fußnote]Hier wird das Bruttoinlandsprodukt als Maßstab genommen, weil in ihm sämtliche Steuern und Sozialabgaben enthalten sind, die im Zuge der Reform vollständig durch Konsumsteuern ersetzt werden sollen. 2006: ca. 2.307 Mrd. Euro; Annahme von 4 % Wirtschaftswachstum über 20 Jahre: 2.307 Mrd. * 1,04^20= 5.054 Mrd. Euro Annahme von 5 Prozent Wirtschaftswachstum über 20 Jahre: 2.307 Mrd. * 1,0520= 6.121 Mrd. Euro
Konsumsteuereinnahmen bei 50% Steuersatz: [Fußnote]vereinfacht wird hier angenommen, dass sich Exporte und Importe ausgleichen 5.054 * 50% / 150% = 1.685 Mrd. Euro 6.121 * 50% / 150% = 2.040 Mrd. Euro
Verbleibende Summe für alle sonstigen öffentlichen Ausgaben, nach 20 Jahren: 1.685 Mrd. minus 1.180 Mrd. für Grundeinkommen = 505 Mrd. Euro 2.040 Mrd. minus 1.480 Mrd. für Grundeinkommen = 560 Mrd. Euro
zum Vergleich die jetzigen Zahlen: ca. 1.000 Mrd. Euro minus 730 Mrd. Euro (die Summe aller öffentlichen Haushalte minus der Summe für Sozialausgaben) = 270 Mrd. Euro
Vergleich der Wachstumsraten: BIP: um 4% p.a. auf das 2,19-fache, Grundeinkommen: um 2,5% p.a. auf das 1,62-fache, „Sonstige öffentliche Ausgaben“: um 3,2% auf das 1,87-fache. BIP: um 5% p.a. auf das 2,65-fache, Grundeinkommen: um 3,6% auf das 2,03-fache, „Sonstige öffentliche Ausgaben“: um 3,7% auf das 2,07-fache.

Tabelle 1: Grundeinkommen und notwendiges Wirtschaftswachstum nach dem Modell von Götz Werner. (Quellen: Statistisches Bundesamt, Interview mit Götz Werner im STERN 17/2006)

2. Ich lese aus Ihren Zeilen die Frage, ob man nicht das Grundeinkommenskonzept mit unserem Ansatz kombinieren könnte. Konkret: Energiesteuern zur Finanzierung von Grundeinkommen. (Was genau Reinhard Loske von der Grünen Bundestagsfraktion gefordert hat. [Fußnote]Für Loske wäre das Energiegeld der Einstieg in die Zahlung eines Grundeinkommens [Quelle]). Diese Absicht hatte ich ursprünglich auch, bevor ich mich näher mit der Thematik auseinandersetzte.

Ich will diese Frage nur kurz anreißen: Die Frage lässt sich am klarsten beantworten, wenn man sich die extreme Schieflage zwischen den Faktoren Arbeit und Energie deutlich macht. Diese Schieflage ist so groß, dass allein eine Verteuerung der Energie nicht ausreicht, um ein Gleichgewicht herzustellen.

Die Einführung eines Grundeinkommens wäre verbunden mit einer Deregulierung am Arbeitsmarkt. Die Politik würde eine neue Zielrichtung erhalten: statt Rahmenbedingungen zur Schaffung von Arbeitsplätzen zu schaffen, müsste sie „nur noch“ dafür sorgen, dass die Rahmenbedingungen für das absurde Wirtschaftswachstum von 4 bzw. 5 Prozent pro Jahr gegeben sind. Wir wären in der Sackgasse angelangt: klimapolitisch wie arbeitsmarktpolitisch.

Deutlich wird wohl: das Grundeinkommenskonzept funktioniert ohne kräftiges Wirtschaftswachstum eben nicht. Da haben Sie ihn offensichtlich falsch verstanden (siehe auch Brief seines Mitarbeiters dazu, s.o.).

3. Zu meinem Panzer-Kommentar: ich wollte nur darauf hinweisen, auf welch Glatteis wir uns begeben, wenn wir die bisherige ökologische Begründung der Öko- oder Energiesteuer aufheben und durch eine völlig unklare „von Fall zu Fall“-Begründung ersetzen wollen. Vielleicht sollte dann auch differenziert werden beim Thema Autoverkehr: billiges Benzin für „guten“ Autoverkehr (Krankenversorgung, Bildung, Fahrt zu den nächsten Angehörigen…) teures Benzin für „schlechten“ Autoverkehr (Lustreisen aller Art…). Ein weites Feld für Ausnahmeregelungen, Steuerschlupflöcher etc.. Wie das mit dem Ziel eines einfachen und überschaubaren Steuersystems vereinbar sein soll, weiß vielleicht Götz Werner.

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