16.07.2007

Jürgen Grahl

Die 300-Milliarden-Euro-Chance

oder: Die Angst der Umweltschützer vor den Kosten - Eine Auseinandersetzung mit den Warnungen vor angeblich unbezahlbaren Solarstromvergütungen

Die wohl größte mentale Blockade in der Klimaschutzdiskussion der letzten Jahre liegt in der verfehlten Sichtweise von Klimaschutz als volkswirtschaftlicher Last. Auch die Diskussion um die Markteinführung der Erneuerbaren ist geprägt von der Angst, die Energiewende könnte etwas kosten. Zahlreiche Vorbehalte gegen die Photovoltaik, die heute noch "teuerste" unter den erneuerbaren Energien, erklären sich hieraus.

Anmerkung: Kurz nach der Veröffentlichung dieses Artikels am 16.7.2007 hat die Zeitschrift "Photon" eine Pressemitteilung herausgegeben, zu der der Autor in einem gesonderten Artikel ausführlich Stellung nimmt.

Eine Kurzfassung dieses Artikels finden Sie auf der Seite des Solarenergie-Fördervereins.

So hat ausgerechnet die Solarzeitschrift "Photon" jüngst einen Artikel mit dem Titel "Das 150-Milliarden-Euro-Ding" veröffentlicht, der die Solarstrom-Einspeisevergütungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) als schon in wenigen Jahren unbezahlbar darstellt (und nebenbei mittels einer die Entenhausensche Panzerknackerbande zeigenden Karikatur die Solarbranche indirekt als Abzocker-Truppe verunglimpft). Laut "Photon" würden sich die insgesamt, über 20 Jahre zu zahlenden Vergütungen für die bis 2010 installierten Solarstromanlagen auf fast 150 Milliarden Euro belaufen - unter der Annahme, dass das derzeitige Ausbautempo beibehalten wird und der Solarstromanteil bis 2010 bei 2,2% des deutschen Stromverbrauchs liegt. "Bei weiterhin starkem Wachstum“, fährt die "Photon“ fort, "könnten es im Jahr 2019 schon fast 15 Prozent sein. Das würde bei der derzeit angestrebten Vergütungsdegression unterm Strich eine Viertel Billion Euro kosten und damit in etwa der Größe des heutigen Bundeshaushalts entsprechen." (13). Deshalb schlägt "Photon" vor, die Solarstromvergütung ab 2008 um 30% (!) abzusenken und zusätzlich die jährliche Vergütungsdegression von 5% auf 7,5% zu erhöhen. "Wollte man erst in einigen Jahren die Einspeisevergütung der tatsächlichen Kostenentwicklung anpassen, sind die aufgehäuften Umlagen so hoch, dass die Solarförderung nicht mehr bezahlbar ist", so "Photon"-Herausgeber Philippe Welter (Hervorhebung J.G.).

Mit der Sichtweise vom Klimaschutz als wirtschaftlicher Last allgemein und mit der "Photon"-These von der Unbezahlbarkeit der Solarstrom-Vergütungen im Speziellen wollen wir uns im Folgenden kritisch auseinandersetzen. Der besseren Lesbarkeit halber haben wir unsere Argumente auf mehrere unabhängige Teilartikel aufgeteilt:

1. EEG-Vergütungen als wirtschaftliche Lasten?

Zunächst ist zu konstatieren, dass die "Photon" Apfel mit Birnen vergleicht, indem sie über mehrere Jahrzehnte sich verteilende Vergütungszahlungen in Relation setzt zu den jährlichen Staatsausgaben – welche zudem als Bezugsgröße schon deshalb irreführend sind, weil die Vergütungen ja nicht aus dem Staatshaushalt bezahlt werden. Die von "Photon" genannten Vergütungen von 250 Milliarden sind im Wesentlichen zwischen 2007 und 2039 zu erbringen, was einer durchschnittlichen jährlichen "Belastung“ von 7,6 Milliarden Euro entspricht. Dies sind im Schnitt gerade einmal 8 Euro pro Bundesbürger und Monat, die zudem teilweise durch den Anreiz zum effizienteren Umgang mit Strom aufgefangen werden, der von höheren Strompreisen ausgeht.

Um die Maßstäbe ein wenig zurechtzurücken, nur einige Vergleichszahlen: Zigaretten und andere Tabakwaren waren den Deutschen im Jahr 2005 volle 24 Milliarden Euro wert (17). Dabei sind die gesundheitlichen Folgekosten des Zigarettenkonsums nicht eingerechnet; diese werden auf jährlich 35 Milliarden Euro geschätzt (18). Alkoholmissbrauch verursacht jährliche Folgekosten von 20 Milliarden Euro (19), und die Folgekosten ernährungsbedingter Krankheiten werden auf etwa 70 Milliarden Euro pro Jahr beziffert (20). Dies alles "leisten" wir uns zwangsläufig auch. Die Solarstromförderung als "unbezahlbar" zu bezeichnen, erscheint vor diesem Hintergrund dann doch etwas überbesorgt.

Aber wir wollen darüber hinaus genauer hinterfragen, inwieweit und in welchem Sinn Klimaschutz überhaupt volkswirtschaftliche Kosten verursacht, inwiefern die 8 Euro monatlich also echte ”Belastungen“ sind. Es wird hier nämlich das Kosten-Argument in einer sehr unreflektierten und naiven Weise benutzt, die wichtige wirtschaftliche Zusammenhänge außer Acht lässt.

Solarstromkosten als Opportunitätskosten, oder: Wie oft kann man jeden Euro ausgeben?

Als erstes ist also zu präzisieren, was in unserem Kontext mit volkswirtschaftlichen Kosten gemeint ist. Im Kern geht es um die Vorstellung, man könne jeden Euro nur einmal ausgeben: Wenn sich im Zuge der EG-Umlage die Strompreise erhöhen, stünde den Stromverbrauchern weniger Geld für alle übrigen Güter und Dienstleistungen zur Verfügung; es entstünden also volkswirtschaftliche Kosten in Form von Opportunitätskosten, die die anderweitig entgangenen Konsummöglichkeiten widerspiegeln.

Solche Opportunitätskosten sind - logisch untrennbar - mit jeder wirtschaftlichen Entscheidung verbunden: Wenn ich eine Musik-CD für 10 Euro kaufe, so begebe ich mich damit der Möglichkeit, die 10 Euro anderweitig zu verwenden, beispielsweise für einen Zahnarztbesuch als gesetzlich Versicherter. Und wenn ich mich entscheide, meine Arbeitszeit in das von mir geleitete Unternehmen zu investieren, so muss ich als Opportunitätskosten das Gehalt gegenrechnen, das ich als abhängig Beschäftigter in einer anderen Firma bekommen könnte. Wie man solche Opportunitätskosten konkret bewertet (und ob man sie überhaupt als ”Kosten“ im umgangssprachlichen Sinne ansieht), kann im Einzelfall beträchtlich differieren: So käme kaum jemand auf die Idee, beim Kauf einer langersehnten Musik-CD auf die damit verbundenen Opportunitätskosten in Form des entgangenen Zahnarztbesuches zu achten. Ebensowenig wie kaum jemand davon sprechen würde, dass die Produktion von Autos Opportunitätskosten in Form einer geringeren Windkraftanlagen-Fertigung verursacht. Wir sehen hier also eine gewisse, zu Fehldeutungen verleitende Diskrepanz zwischen dem wertneutralen ökonomischen Konzept der Opportunitätskosten und dem landläufigen, naiven Kostenbegriff, der meist mit mehr oder minder impliziten Werturteilen befrachtet ist. In vielen Fällen decken sich die beiden Begriffe natürlich weitgehend: So sind auch die gesellschaftlichen Kosten etwa des Rauchens zunächst ”nur“ Opportunitätskosten, die durchaus Einnahmen bei Suchttherapeuten, Lungenfachärzten, Onkologen, Bestattern usw. generieren und damit dort auch Arbeitsplätze sichern; dass man sie so selbstverständlich als Kosten auch im umgangssprachlichen Sinn ansieht, liegt - abgesehen vom Verlust an Lebensqualität für die betroffenen Patienten - letztlich an der Überzeugung, dass eine Volkswirtschaft ihre medizinischen Ressourcen sinnvoller und für alle Beteiligten befriedigeder einsetzen könnte, z.B. für eine verbesserte Prävention und Früherkennung.

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Nun verschwindet das Geld für die Solarstromvergütung freilich nicht im Nichts (und anders als beim Import arabischen oder russischen Öls auch kaum im Ausland), sondern es fließt in den Wirtschaftskreislauf zurück, an die Beschäftigten, Unternehmer und Aktionäre der Siliziumfabriken, Modulhersteller und Installateursbetriebe, nämlich letztlich in Form von Löhnen, Unternehmereinkünften, Dividenden usw. Es kommt also zu keinem Rückgang der Gesamtnachfrage, sondern die Nachfrage und die volkswirtschaftlichen Aktivitäten werden ”lediglich“ zur Solarbranche umgelenkt: Die Volkswirtschaft produziert mehr Solaranlagen und weniger an übrigen Gütern.

Schon an diesem Punkt könnten sich erste Zweifel auftun, ob die Vorstellung, man könne jeden Euro nur einmal ausgeben, nicht irreführend ist: Der von den Stromverbrauchern für die Solarstromvergütungen aufgewandte Euro wird ja letztlich in Einkommen z.B. eines Facharbeiters in einer Modulfabrik verwandelt und kann von diesem erneut für Konsumzwecke ausgegeben werden - so wie natürlich (fast) jeder im Wirtschaftskreislauf zirkulierende Euro im Laufe der Zeit immer und immer wieder neu ausgegeben wird.

Wenn wir die Frage klären wollen, inwieweit die EEG-Vergütungen wirklich Konsumverzicht an anderer Stelle erzwingen, müssen wir den Dingen also etwas genauer auf den Grund gehen. Dazu müssen wir uns der Voraussetzungen bewusst werden, die der oben vorgestellten Argumentation zugrundeliegen, wonach die massenhafte Errichtung von Solaranlagen zwangsläufig zu anderweitigen Konsumeinschränkungen führen muss (welche sich dann als Opportunitätskosten der Photovoltaik niederschlagen): Implizit wird hierbei von einer Volkswirtschaft ausgegangen, die ihre Kapazitäten bereits vollständig ausgelastet hat, die über keine brachliegenden Ressourcen, etwa an menschlicher Arbeitskraft, "Humankapital“, Maschinen usw. mehr verfügt. In diesem Fall wäre die Produktion von Solaranlagen in der Tat nur dadurch möglich, dass bisher anderweitig genutzte Ressourcen abgezogen und der Solarbranche zur Verfügung gestellt werden.

Eine solche Situation hat aber offensichtlich wenig mit der heutigen Realität zu tun (wenngleich die Ökonomie merkwürdigerweise bis heute oftmals in derartigen Idealisierungen verhaftet zu sein scheint): Angesichts von derzeit 3,7 Millionen Arbeitslosen ist der Produktionsfaktor Arbeit alles andere als ausgelastet: "Der Faktor Arbeit steht in so großem Maße zur Verfügung, dass im Grunde alle geforderten sozialen und ökologischen Leistungen problemlos erbracht werden könnten. Die Leute stehen in großer Zahl ,auf der Straße’ - es wäre fatal, könnten sie nicht mit sinnvollen Aufgaben [...] eine neue Existenz finden [...].“ (11, S. 142). Aber auch der Faktor Kapital ist nicht mehr sonderlich knapp, wie die seit Jahren niedrigen Zinsen zeigen; vielmehr irrlichtern immer größere Anteile des privaten Vermögens unkontrolliert rund um den Globus und fließen in kurzfristige, die Finanzmärkte destabilisierende Spekulationsgeschäfte, statt in reale Produktionsanlagen investiert zu werden, wie es ihr eigentlicher Bestimmungszweck wäre: ”Das reichlich vorhandene Geld hat sichtlich Mühe, Investitionsobjekte zu finden [...] Je mehr Milliarden an sinnvolle, gesellschaftlich wünschenswerte Produktionen wie der Solarenergie gebunden werden können, desto geringer ist der Bedarf für gesellschaftlich unerwünschte Produktionen.“ (11, S. 137 und S. 139).

Die Mobilisierungswirkungen des EEG

Die volkswirtschaftlichen Ressourcen für die massenhafte Produktion und Installation von Solaranlagen wären also vorhanden - ja, sie warten geradezu darauf, eingesetzt zu werden. Das EEG ist hervorragend geeignet, durch die von ihm befeuerte Nachfrage nach Solaranlagen diese heute brach liegenden Ressourcen zu mobilisieren.

Nehmen wir einmal idealtypisch an, es gelingt, für den Aufbau der benötigten Produktionsanlagen und die Fertigung und Installation der Module komplett bisher ungenutzte Ressourcen an Arbeit und Kapital einzusetzen. Was wären die Folgen? Die Investitionen in die Errichtung von Solaranlagen fließen in Form von Löhnen und Gehältern sowie Kapitaleinkünften an die Beschäftigten, Unternehmer und Kapitalgeber der neu erblühenden Solarbranche, die damit zusätzliche Nachfrage entfalten können. In dem Ausmaß, in dem neue Arbeitsplätze entstehen, können die Arbeitslosengeldzahlungen zurückgefahren werden; damit sinken die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung, so dass den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten wieder mehr Geld für Konsumzwecke verbleibt. Dies gleicht die Nachfrageausfälle aufgrund der gestiegenen Stromkosten aus. Das für Solarstromvergütungen abgeschöpfte Geld fließt also wieder an die Bürger und Unternehmen zurück, so dass es im Endeffekt nicht zu Einschränkungen im Konsum kommt.

Zusammengefasst liefe der Wirkungsmechanismus also auf Folgendes hinaus: Bisher hat der Staat bei den Bürgern Kaufkraft in Form von Arbeitslosenversicherungsbeiträgen abgeschöpft und diese an die Arbeitslosen in Form von Arbeitslosenunterstützung ausgeschüttet. Der EEGinduzierte Solarboom führt dazu, dass der Staat zukünftig etwas weniger an diesen Beiträgen erhebt und dafür die EEG-Umlage steigt, mit der die Produktion von Solaranlagen finanziert wird. Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage nach Nicht-Solaranlagen ändert sich dabei nicht [Fußnote]Zu erwarten ist lediglich eine leichte Umverteilung: Die neu in Lohn und Brot Gekommenen werden finanziell natürlich besser gestellt gegenüber dem Bezug von Arbeitslosengeld; die nicht Sozialversicherungspflichtigen hingegen werden nur durch steigende Strompreise belastet, ohne von der Senkung der Sozialbeiträge zu profitieren. Diese - ohnehin sehr geringen - Umverteilungswirkungen kann der Staat aber leicht korrigieren, z.B. durch eine geringfügige Rentenerhöhung, die sich aus den steigenden Steuereinnahmen problemlos finanziert. und durch die Mobilisierung bisher ungenutzter Ressourcen (insbesondere von Arbeitskräften) wird zudem zusätzlich die Solaranlagenfertigung möglich, ohne dass es dazu des Abzugs von Ressourcen aus der übrigen Produktion bedarf. Die angeblichen Opportunitätskosten der Photovoltaik-Förderung schmelzen damit in Nichts zusammen. Zugleich wäre ein wichtiger Schritt zur Reduzierung der Massenarbeitslosigkeit getan. Aber es kommt noch besser:

1. Die sinkenden Lohnnebenkosten wirken sich zusätzlich günstig auf den Arbeitsmarkt aus: Auch fernab von der Solarbranche wird es tendenziell zu mehr Neueinstellungen kommen.

2. Da die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zugenommen hat (die nach Nichtsolaranlagen ist gleich geblieben, und hinzu ist die Nachfrage nach Solaranlagen getreten), kommt es zu Multiplikatoreffekten, die die positiven Wirkungen noch verstärken.

3. Vor allem aber bietet die Photovoltaik ein immenses Exportpotential. Die Nachfrage aus dem Ausland nach deutschen Solarmodulen beflügelt die Branche zusätzlich. Dies um so mehr, wenn die Einspeiseregelungen des EEG von immer mehr Ländern kopiert werden und dann auch dort die Nachfrage nach Solarmodulen stimulieren.

Die ”Mobilisierungswirkung“ des EEG würde sich durch diese Effekte noch deutlich verstärken. Das Spektrum der Unternehmen, die im Zuge eines Photovoltaik-Booms expandieren könnten, ist breit: Es reicht von den Solarsilizium-,Wafer- und Modulfabriken und den Produzenten von Wechselrichtern über die Zulieferer elektronischer Bauteile und Messinstrumente bis hin zu den Installateuren. Gerade für kleine und mittelständische Handwerksbetriebe, die heute vielfach um die Existenz ringen, böten sich damit wieder echte Zukunftsperspektiven. Damit wird ein richtiggehender ”solaren Aufschwung“ möglich, der im großen Stil neue Arbeitsplätze schafft.

Die befürchteten Opportunitätskosten würden sich in dem soeben beschriebenen Szenario sogar ins Gegenteil verkehren: Das allgemeine Konsumniveau könnte sogar noch leicht ansteigen - ganz davon abgesehen, dass angesichts sinkender Arbeitslosigkeit die Verteilung gleichmäßiger wäre. Ob es tatsächlich so kommt, hängt natürlich entscheidend davon ab, inwieweit es gelingt, bisher brachliegende Ressourcen zu mobilisieren. Wir wollen kurz diskutieren, wie realistisch diese Erwartung ist:

1. Zunächst ist zu bedenken, dass die Vergütungszahlungen - verteilt über 20 Jahre - erst nach der Errichtung der Solaranlagen und damit auch erst nach Errichtung der Solarfabriken anfallen, also erst dann, wenn die positiven Beschäftigungseffekte bereits eingetreten sind; diese sind durch die Aktivierung privaten Risikokapitals gewissermaßen vorfinanziert worden. Es ist daher nicht zu befürchten, dass die positiven Effekte durch die Stromverteuerung gleich wieder im Keim erstickt werden. Die oben genannte Senkung der Lohnnebenkosten kann damit der Stromverteuerung sogar zeitlich vorausgehen.

2. Hiergegen könnte man einwenden, dass die Investitionen in den Solarbereich evtl. die übrige Investitionstätigkeit in Deutschland dämpfen würden. Aufgrund der weltweiten Mobilität von Kapital wird dieser Effekt eher gering sein und sich weitgehend darauf beschränken, dass die Investitionen in fossile Kraftwerke zurückgehen werden; Letzteres ist jedoch zu verschmerzen, da die erneuerbaren Energien wesentlich beschäftigungsintensiver sind als die konventionelle Energiewirtschaft: Sie geben trotz ihres mit 12,5% noch eher geringen Anteils an der Stromversorgung bereits heute 214.000 Menschen in Deutschland Arbeit - weit mehr als die konventionelle Energiewirtschaft. Im übrigen hätte eine solche Investitionsumlenkung durchaus Vorteile: Die derzeitige (Netto-)Investitionstätigkeit besteht aus einer Mischung von arbeitsplatzschaffenden Erweiterungsinvestitionen und arbeitsplatzvernichtenden Rationalisierungsinvestitionen, die sich im Laufe der letzten Jahrzehnte ungefähr die Waage gehalten haben (8, S. 62). Eine Investitionsumlenkung hin zur Solarbranche, in der derzeit die Erweiterungsinvestitionen klar dominieren, hätte damit positive Beschäftigungseffekt, würde also die Mobilisierung des Faktors Arbeit noch unterstützen.

3. Man könnte ferner einwenden, die heutige mangelnde Auslastung des Faktors Arbeit sei durch fehlende Qualifikationen der Betroffenen bedingt. Auch wenn dies in manchen Fällen berechtigt sein mag, lassen sich unter fast vier Millionen Arbeitslosen zweifellos genügend geeignete Fachkräfte finden, die aufgrund der Krise des Handwerks ihre Beschäftigung verloren haben bzw. zu verlieren drohen, so dass ein Engpass an dieser Stelle nicht zu befürchten ist [Fußnote]Im Übrigen lässt sich das Argument der mangelnden Qualifikation gegen jede Beschäftigungsinitiative ins Feld führen, die Wege aus der Massenarbeitslosigkeit bahnen will; würde man sich diese Sichtweise zu eigen machen, dann bestünde der einzige ”Ausweg“ darin, alle Arbeitslosen in Niedriglohnjobs ohne Qualifikationserfordernisse abzuschieben.... Zudem ist zu bedenken, dass der Verlust an Qualifikation vielfach erst durch schlechte Arbeitsmarktperspektiven und das um sich greifende Gefühl des Nicht-Mehr-Gebrauchtwerdens bedingt ist. Neue Beschäftigungsperspektiven im Solarbereich können daher einen Weg weisen aus der Abwärtsspirale von Massenarbeitslosigkeit und Dequalifizierung. Um so wichtiger ist es, dass dies rasch geschieht, bevor das Qualifikationsniveau weiter absinkt.

4. Die jüngsten Firmenansiedlungen von Solarunternehmen bestätigen die Erwartung, dass bevorzugt bisher ungenutztes ”Humankapital“ mobilisiert wird: Sie zeigen eine eindeutige Hinwendung zu strukturschwachen Gebieten mit hoher Arbeitslosigkeit, insbesondere in den neuen Ländern. So errichtet Conergy in Frankfurt/Oder eine Produktionsstätte mit über 1000 Arbeitsplätzen für die Massenfertigung von Solarmodulen. Und SolarWorld hat den Bau einer integrierten Solarfabrik in Freiberg angekündigt, die ebenfalls 1000 Menschen Arbeit bieten soll. ”Der Standort Sachsen bietet sich aufgrund des guten Zugangs zu Arbeitskräften an“, begründet SolarWorld-Chef Asbeck die Standortwahl (21).

Nun wird es vermutlich nicht komplett gelingen, den Aufschwung der Solarbranche in der hier idealtypisch beschriebenen Weise allein auf die Mobilisierung bisher brachliegender volkswirtschaftlicher Ressourcen zu gründen: Bis zu einem gewissen Grad wird es wahrscheinlich doch zu einem Abzug von Produktionsfaktoren aus anderen Bereichen und damit zu gewissen Konsumeinschränkungen an anderer Stelle kommen; es ist aber davon auszugehen, dass diese weit unter den von ”Photon“ genannten Größenordnungen liegen.

Zuletzt noch ein Wort zu dem Einwand, die ”Belastung“ mit der höheren EEG-Umlage sei nachteilig für die Wirtschaft. Diese Befürchtung lässt das in (4) und (5) ausführlich diskutierte Ungleichgewicht zwischen billiger, produktionsmächtiger Energie und teurer, relativ produktionsschwacher Arbeit außer Acht, vor dessen Hintergrund eine schrittweise und kalkulierbare Energieverteuerung sogar als beschäftigungsfördernd erscheint: Im Kontext der EEG-Umlage bedeutet dies ganz konkret, dass die (geringfügig!) steigenden Energiekosten direkt Arbeitsplätze in der Solarbranche schaffen und in der übrigen Wirtschaft die Ersetzung menschlicher Arbeit durch energieintensive Produktionsweisen eine Spur weniger attraktiv machen. Auch dies lässt positive Effekte auf den Arbeitsmarkt (und damit auf Sozialkassen und Staatsfinanzen) erwarten.

2. Die EEG-Vergütungen: Einsparung externer Kosten und Sicherung der Energieversorgung

Wenn man über die ”Kosten“ des Klimaschutzes diskutiert, so wird nur allzu leicht außer acht gelassen, dass die Klimakatastrophe auf alle Fälle teurer werden würde als aller Klimaschutz es je könnte. So schätzt beispielsweise der im Auftrag der britischen Regierung erstellte sog. ”Stern-Report“ des früheren Weltbank- Ökonomen Sir Nicholas Stern die jährlichen Kosten des Klimawandels in den nächsten 200 Jahren bei Fortsetzung der gegenwärtigen Emissionstrends auf 5% bis 20% des mittleren globalen Pro-Kopf-Einkommens, während er die jährlichen Kosten einer Stabilisierung der Treibhausgaskonzentrationen bei 550 ppm CO2- Äquivalenten auf etwa 1% der globalen Wirtschaftsleistung beziffert.

Dabei sind die Schätzungen des Stern-Reports zu den Kosten des Klimawandels insofern wahrscheinlich noch viel zu optimistisch, als sie die zentrale ökonomische Bedeutung der Energie als Produktionsfaktor außer acht lassen und daher die verheerenden wirtschaftlichen Folgen nicht thematisieren, die es hätte, wenn in 30 oder 50 Jahren eine drastische Begrenzung des fossilen Energieeinsatzes vielleicht doch unaufschiebbar geworden ist und bis dahin keine CO2-freien Alternativen zur Verfügung stehen (vgl. (9)).

Hier bleibt Stern ganz dem in der Volkswirtschaftslehre dominierenden - aus Sicht der Naturwissenschaften absurden - Dogma verhaftet, die Produktionsfaktoren seien untereinander beliebig austauschbar, so dass es letztlich nichts Unersetzliches gebe. P. Samuelson (Ökonomie-Nobelpreisträger 1970) und W. Nordhaus formulieren dieses Dogma in ihrer berühmten ”Volkswirtschaftslehre“ wie folgt: ” Ökologen argumentieren immer wieder, dass Energie und andere natürliche Ressourcen wie unberührte Natur oder Urwälder ganz besondere Formen von Kapital sind, die unbedingt bewahrt werden müssen, um ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu gewährleisten. Dieser Ansicht können sich Ökonomen nicht anschließen, denn sie betrachten die natürlichen Ressourcen einfach nur als eine weitere Kapitalform, die die Gesellschaft ebenso wie schnelle Computer, Humankapital in Form gut ausgebildeter Arbeitskräfte oder technologisches Know-How in ihren Wissenschaftlern und Technikern besitzt.“ (14, S. 407) Und der Ökonomie-Nobelpreisträger R. Solow schrieb 1974: ”Die Welt kann letzten Endes auch ohne natürliche Ressourcen zurecht kommen“. Freilich räumt auch er ein: ”Sollte allerdings die reale Wertschöpfung pro Ressourceneinheit begrenzt sein [...], dann ist die Katastrophe unvermeidlich.“ (15)

Die Rolle der externen Kosten

In einer umfassenden Analyse der volkswirtschaftlichen Kosten von Solarstromvergütungen müsste man daher unbedingt auch die externen Kosten unseres heutigen fossil-atomaren Energiesystems gegenrechnen. Deren Nichtberücksichtigung ist ein weiterer gravierender Fehler der ”Photon“-Analyse. In einem Gutachten aus dem Jahre 2001 schätzte Hohmeyer in Anlehnung an Untersuchungen von Azar und Sterner (1) die durch den Einsatz von Photovoltaik eingesparten externen Kosten [Fußnote]Diese umfassen die Kosten des Klimawandels und der Luftverschmutzung. Der Wert von 16,8 Cent/kWh ist ein Mittelwert über zwei Abschätzungen (14,7 Ct/kWh und 18,95 Ct/kWh), die sich darin unterscheiden, nach welcher Methode (dem Years-of-Life-Lost-Ansatz oder dem Value-of-Statistical-Life-Ansatz) man durch die Luftverschmutzung bedingte Todesfälle monetarisiert. Ansonsten gehen beide Abschätzungen von Schadenskosten der Klimakatastrophe von 161 Dollar pro Tonne CO2 aus. auf mindestens 16,8 Ct/kWh (7, S. 15), sofern man bei der Abschätzung der Kosten des Klimawandels zukünftige Schäden nicht diskontiert und die ungleiche Einkommensverteilung zwischen Entwicklungs- und Industrieländern berücksichtigt, die dazu führt, dass ”absolut gleiche materielle Schäden in armen Ländern gemessen am pro-Kopf-Einkommen ein sehr viel größeres Gewicht als in reichen Industrieländern haben“ (7, S. 33).

Hohmeyer gibt Abschätzungen der externen Kosten übrigens auch für niedrigere Werte der CO2-Folgekosten an; die Spanne hierfür reicht von 9 bis 161 Dollar pro Tonne CO2. Der Wert von 9 Dollar kommt primär dadurch zustande, dass in der Zukunft liegende Schäden mit einer Zeitpräferenzrate von 1% pro Jahr abdiskontiert werden; dies führt dazu, dass erst in 50 Jahren auftretende Schäden nur noch mit 61%, in 400 Jahren auftretende Schäden gar nur noch mit 0,7% ihrer Kosten gewichtet werden. Die Philosophie von Spinoza über Kant und Schopenhauer bis zu Rawls lehnt eine solche Diskontierung der Zukunft einhellig ab; Birnbacher spricht gar vom ”Skandalon" der Zukunftsdiskontierung“ (2, S. 102), und der Ökonom Harrod bezeichnet sie als ”eine höfliche Umschreibung für Raffgier und die Herrschaft der Leidenschaften über die Vernunft“ (zitiert nach (2, S. 104)). Hohmeyer selbst schildert, wie die Abdiskontierung künftiger Schäden dazu genutzt wird, die Kosten des Klimawandels zu bagatellisieren: ”Ein besonderes ,Erlebnis’ für den Verfasser dieses Gutachtens war in diesem Zusammenhang die Forderung einer Regierungsdelegation bei den Verhandlungen [...] der IPCC in Accra im März 2001, alle Klimakosten mit einer Diskontrate von 20% real auf Barwerte umzurechnen. Eine solche Vorgehensweise führt dazu, dass es für heutige Entscheidungen über Treibhausgasemissionen egal ist, ob der Golfstrom in einigen hundert Jahren aufgrund unserer heutigen Emissionen abreißt und Nord- und Mitteleuropa unbewohnbar werden, da jeder Schaden, der einige Jahrzehnte in der Zukunft liegt, praktisch auf Null abdiskontiert werden müsste.“ (7, S. 31). Aufgrund der ethischen Fragwürdigkeit der Zukunftsdiskontierung arbeiten wir im Folgenden stets mit den auf einer Diskontrate von Null basierenden Abschätzungen.

In Teil 1 hatten wir diskutiert, wie sich die von ”Photon“ genannten Opportunitätskosten der Solarstromerzeugung durch die Mobilisierung ungenutzter volkswirtschaftlicher Ressourcen und durch die Exportchancen der Solartechnologie erheblich reduzieren oder sogar ins Gegenteil verkehren. Im Folgenden wollen wir dennoch zuungunsten der Photovoltaik annehmen, dass die ”Photon“-Zahlen von den 250 Milliarden Euro Kosten zutreffen, und der Frage nachgehen, wie sich die Bilanz ändert, wenn man die o.g. Einsparungen externer Kosten in Höhe von 16,8 Ct/kWh berücksichtigt. Wir beziehen uns dabei stets auf das von ”Photon“ als am wahrscheinlichsten eingeschätzte Szenario, in dem die installierte Photovoltaik-Leistung in der Bundesrepublik bis 2019 auf etwa 93 GWp und der jährliche Zubau auf knapp 11 GWp steigt. Ein solches Ausbautempo erscheint auch uns sowohl möglich (sofern die wirtschaftlichen Anreize stimmen - was bei der ”Photon“ ins Spiel gebrachten Vergütungsabsenkung unserer Ansicht nach nicht mehr der Fall wäre) als auch aus Klimaschutzgründen notwendig und wünschenswert.

In diesem Szenario bleiben dann bei Einbeziehung der externen Kosten von den von ”Photon“ angegebenen insgesamt 250 Milliarden Euro für alle zwischen 2000 und 2019 errichteten Anlagen nur noch knapp 44 Milliarden Euro übrig - und zwar unter der Annahme, dass die jährliche Vergütungsdegression bei den heutigen 5% bleibt, während ”Photon“ mit 7,5% Degression gerechnet hatte [Fußnote]Ferner liegen dieser und den weiteren Rechnungen folgende Annahmen zugrunde: (1) Die jährliche Inflation beträgt 1,6% (entsprechend der durchschnittlichen jährlichen Steigerung des Verbraucherpreisindex zwischen 2000 und 2006); (2) Die vermiedenen Kosten der fossilen Stromerzeugung entsprechen dem Szenario C in der Studie von Nitsch (10), welches deren Autor selbst für am realistischsten hält, zuzüglich vermiedener Netznutzungsentgelte von 0,24 Ct/kWh. Diese Schätzung liegt um 5 bis 6 Ct/kWh unter der von ”Photon“, die den Wert des Solarstroms auf 8 Ct/kWh im Jahr 2007 beziffert hatte und von einer jährlichen Steigerung dieses Wertes von 3% ausgegangen war. Für die ab 2016 errichteten Anlagen wird die Kostenbilanz sogar positiv: Die Einsparungen, vor allem durch vermiedene externe Kosten, überwiegen fortan den Kostenaufwand für die Einspeisevergütungen.

Abb. 1: Jährlicher Photovoltaik-Zubau

Abb. 2: Insgesamt installierte Photovoltaik-Leistung in der Bundesrepublik, jeweils bis 2019 gemäß dem von ”Photon“ als am wahrscheinlichsten bezeichneten Szenario, danach auf einer logistischen Kurve, die sich einer jährlichen Installation von 13,75 GWp nähert, entsprechend insgesamt 275 GWp installierter Leistung im Endausbauzustand.

Abb. 3: Gesamtwirtschaftliche Kosten (rot) bzw. Einsparungen (grün) durch die im jeweiligen Jahr neu installierten Photovoltaik-Anlagen

Abb. 4: Gesamtwirtschaftliche Kosten (rot) bzw. Einsparungen (grün) durch alle bis zum jeweiligen Jahr installierten Photovoltaik-Anlagen, jeweils gemäß dem Szenario aus Abbildung 1 und unter den im Text erläuterten Annahmen

Es zeigt sich ferner, dass der Zeitraum bis 2019 ein für die Photovoltaik denkbar ungünstig gewählter Zeitraum ist; dehnt man die Betrachtung nur ein paar Jahre weiter in die Zukunft aus, ergibt sich plötzlich ein ganz anderes Bild: Da immer mehr Anlagen ans Netz gehen, deren volkswirtschaftlicher Nutzen die zunehmend absinkenden Vergütungen überwiegt, verbessert sich die Bilanz immer weiter; gleichzeitig steigt der Anteil der Photovoltaik an der gesamten Stromerzeugung rasant an.

Betrachten wir dazu einmal folgende Fortschreibung des bisher betrachteten Szenarios über 2019 hinaus (vgl. Abbildung 1 und 2): Wir nehmen an, dass die jährliche Installation von Photovoltaik-Anlagen nach 2019 auf einer sich logistisch abflachenden Kurve noch leicht von knapp 11 GWp bis auf 13,5 GWp weiterwächst; dies bedeutet bei einer Lebensdauer der Solarmodule von 20 Jahren, dass im Endausbauzustand insgesamt 275 GWp Photovoltaik installiert sein werden und sich damit etwa 50% des heutigen Stromverbrauchs abdecken lassen. Ferner nehmen wir zuungunsten der Photovoltaik an, dass die jährliche Vergütungsdegression im Jahr 2020 auf Null gesenkt wird. (Zu bedenken ist, dass dann immer noch die Inflation zu einer Absenkung der realen Vergütung führt). Dann wird bereits im Jahr 2022 die Kostenbilanz für alle bis dahin errichteten Anlagen positiv, d.h. die Kosten, die die in den Jahren 2016 bis 2022 errichteten Anlagen eingespart haben, übertreffen die anfänglichen Vergütungsmehraufwendungen der Jahre 2000 bis 2015. Schaut man sich die Bilanz aller bis 2035 errichteten Anlagen an, so kommt man auf Einsparungen volkswirtschaftlicher Kosten von 310 Milliarden Euro; das bedeutet, dass die pro Jahr errichteten Anlagen per Saldo durchschnittlich 8,6 Milliarden Euro eingespart haben.

Bei der Beurteilung dieser Zahlen ist erstens zu bedenken, dass die Vergütungszahlungen dabei unhinterfragt als Opportunitätskosten gezählt werden, die zu Konsumverzicht zwingen; berücksichtigt man unsere Überlegungen aus Teil 1, so kommt man von vornherein zu für die Photovoltaik wesentlich günstigeren Ergebnissen. Zweitens ist zu beachten, dass die zugrundeliegenden Abschätzungen für die durch Solarstrom vermiedenen volkswirtschaftlichen Kosten in mehrerlei Hinsicht immer noch sehr vorsichtig sind:

1. Allen der von Hohmeyer verwendeten Studien ist gemeinsam, dass sie ”noch nicht die neuesten Erkenntnisse der Klimaforschung berücksichtigen konnten“; Hohmeyer rechnet daher selbst damit, ”dass die zu erwartenden Klimafolgeschäden deutlich höher ausfallen werden, als bisher in den vorliegenden Arbeiten angenommen. So wird nach den Ergebnissen des dritten Sachstandsberichts des IPCC [...] z.B. der Meeresspiegel selbst bei einem Anstieg der globalen Mitteltemperatur um lediglich 1-2°C [...] durch Abschmelzen des Grönlandeisschilds um ca. 7 m ansteigen. Eine Auswirkung mit Folgeschäden, die in keiner der bisherigen Analysen der externen Kosten des anthropogenen Treibhauseffekts berücksichtigt worden sind. Eine Folgewirkung könnte das Abreißen des Golfstroms sein, der für Nord- und Mitteleuropa zu einer neuen Eiszeit führen könnte.“ (7, S. 35)

2. Außer acht gelassen wird ferner, dass um die Mittagszeit anfallender Solarstrom teuren Spitzenlaststrom ersetzen kann, dessen Wert nicht selten [Fußnote]Eine Präzisierung dieser Aussage findet sich in Weitere Stellungnahme des SFV bei über 1 Euro/kWh liegt [Fußnote]Darüber hinaus könnte man darauf verweisen, dass auch die hypothetischen Versicherungskosten der Kernkraftwerke nicht berücksichtigt sind: Diese wurden 1992 von einer Prognos-Studie im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums auf 1,80 Euro/kWh geschätzt. Angesichts eines Kernenergieanteils von etwa 30% am deutschen Strommix bedeutet das letztlich zusätzliche externe Kosten der konventionellen Stromerzeugung von über 50 Cent/kWh (und damit mehr als die derzeitige Solarstromvergütung!), die heute der Allgemeinheit aufgebürdet werden, insofern als diese den größten Teil des ”Restrisikos“ trägt. In der Anfangsphase der Markteinführung der Photovoltaik ist diese Außerachtlassung der externen Kosten der Kernenergie durchaus gerechtfertigt: Da ein Zurückregeln oder Abschalten von Kernkraftwerken unwirtschaftlich ist, verdrängt Solarstrom zunächst nur Mittellaststrom aus fossilen Kraftwerken; erst bei weitergehendem Ausbau der Photovoltaik und der Etablierung einer geeigneten Speicher-Infrastruktur wird es auch zur Substitution von Strom aus Kernenergie kommen..

3. Spätestens in den nächsten Jahren wird das weltweite Erdölfördermaximum überschritten sein. Danach werden, wie inzwischen sogar dieInternationale Energie-Agentur einräumt, bei ungebrochen wachsendem weltweiten Energiehunger die Ölpreise abermals drastisch steigen. Nun ist zwar der Anteil der Erdölkraftwerke an der bundesdeutschen Stromversorgung praktisch vernachlässigbar; jedoch wird es zu Ausweicheffekten weg vom Öl und hin zu Gas und Kohle kommen (bis hin zur Kohleverflüssigung), durch die auch die Kohle- und Gaspreise erheblich in die Höhe getrieben werden. Die durch die Solarstromerzeugung vermiedenen fossilen Brennstoffkosten dürften daher noch deutlich höher ausfallen als in obiger Abschätzung. Zudem ist zu bedenken, dass zu den Kosten der verfeuerten Kohle eigentlich noch die von der Allgemeinheit getragenen Subventionen für den deutschen Steinkohlebergbau gerechnet werden müssten.

4. Es ist hier mit einer Lebensdauer der Photovoltaik-Anlagen von 20,5 Jahren kalkuliert worden, die der durchschnittlichen Vergütungsdauer gemäß EEG entspricht. Tatsächlich dürfte die Lebensdauer jedoch bei mindestens 25 bis 40 Jahren liegen; so sind heute schon Garantien von 25 Jahren auf die Solarmodule üblich.

Es ist daher davon auszugehen, dass die Gesamtbilanz der Photovoltaik noch wesentlich günstiger als soeben skizziert aussehen wird. Nimmt man beispielsweise an, dass aufgrund der genannten vier Effekte die durch die Photovoltaik eingesparten Kosten nur um 3 Ct/kWh höher liegen, so kehrt sich bereits bis 2019 die Bilanz für die Photovoltaik ins Positve um: Aus den o.g. 44 Milliarden Euro Kosten werden dann 12 Milliarden Euro Einsparungen.

Selbst wenn man der (in Teil 1 diskutierten) Befürchtung Glauben schenkt, die heutigen Kosten der EEG-Vergütung schränkten die Konsummöglichkeiten an anderer Stelle ein, wäre es daher extrem kurzsichtig, die Entwicklung der Photovoltaik heute abzuwürgen, da man sich damit der Chance berauben würde, die gesamtwirtschaftlichen Kosten (einschließlich der externen Kosten) unseres Energiesystems mittelfristig drastisch zu senken.

EEG-Vergütungen als Investitionen in die energetische Basis unserer Volkswirtschaft

Nun haben erneuerbare Energien aber neben der Einsparung externer Kosten noch eine weitere wichtige Funktion: Sie sichern die Energieversorgung - und damit die Leistungsfähigkeit - unserer Volkswirtschaft über das Zeitalter von Kohle, Öl und Gas hinaus. Damit auch künftige Generationen dieselben Konsummöglichkeiten wie wir haben (eine der Anforderungen an eine nachhaltige Entwicklung!), ist es gemäß der auf Ströbele und Hohmeyer zurückgehenden modifizierten Hartwick-Regel [Fußnote]Die ursprüngliche Hartwick-Regel (6) besagt, dass (unter gewissen vereinfachenden Annahmen) ein dauerhaft konstanter Pro-Kopf-Konsum möglich ist, sofern die Renten aus dem Verbrauch nicht-erneuerbarer Ressourcen in voller Höhe in den Kapitalstock der betreffenden Volkswirtschaft investiert werden. Dabei wird freilich davon ausgegangen, dass Energie unbegrenzt durch Kapital ersetzt werden kann, was aus physikalisch-technischer Sicht absurd ist (vgl. die Einleitung zu Teil 2). Die modifizierte Hartwick-Regel (Ströbele (16, S. 27ff.) und Hohmeyer (7, S. 101)) verlangt daher konkret, die Renten aus der Nutzung fossiler Energien wieder in Energie-Technologien zu investieren, die die sich erschöpfenden fossilen Ressourcen ersetzen können geboten, die Nettoerträge aus dem Abbau nicht-erneuerbarer Energieträger (kurz: Ressourcenrenten) in voller Höhe in Technologien zur Nutzung erneuerbarer Energien zu investieren [Fußnote]Wir folgen hier der Argumentation in dem oben erwähnten Gutachten von Hohmeyer (7). Dieses kommt zu dem Schluss, die EEG-Vergütung für Solarstrom von damals 99 Pf/kWh sei, obgleich sie über die Einsparungen an externen Kosten hinausgehe, ”in ihrer jetzigen Form vor dem Hintergrund ressourcentheoretischer Überlegungen völlig unbedenklich“. Dass es nicht allein den Energiekonzernen überlassen bleiben sollte, die Ressourcenrenten in erneuerbare Energien zu investieren, sondern der Staat korrigierend eingreifen darf, begründet Hohmeyer damit, ”dass die Ressourcenanbieter nicht in die Verbesserung und Kostensenkung von Backstop-Technologien und damit in die Senkung ihrer ressourcenrenten investieren werden, während die Verbraucher ein erhebliches Interesse an der Senkung von Backstop-Kosten (...) haben“ (7, S. 100).

Die Höhe dieser Ressourcenrenten ist nicht bekannt; Hohmeyer (7, S. 103) schätzt sie - ausgehend von der Tatsache, dass der Umsatz mit Kohle, Öl und Gas 1996 bei etwa 190 Milliarden DM lag - vorsichtig auf mindestens 4,8 Milliarden Euro jährlich. Vergegenwärtigt man sich die hohen Gewinne der Stromkonzerne in den letzten Jahren, so dürften die tatsächlichen Ressourcenrenten noch deutlich höher liegen [Fußnote]So betrug im Jahr 2006 der Gewinn von RWE 3,85 Milliarden (24) und der von E.ON gar 8,4 Milliarden Euro (23). Natürlich wurden diese Gewinne nicht allein im Energiesektor und nicht allein in Deutschland erzielt. Andererseits decken die beiden Konzerne auch nur einen Teil des deutschen Energiemarktes ab. Im Interesse des Erhalts der energetischen Basis unserer Volkswirtschaft ist es also nicht nur gerechtfertigt, sondern sogar geboten, diese Summe in den Aufbau einer regenerativen Energiewirtschaft zu investieren, wie es über das EEG geschieht.

Hier drängt sich nun zugegebenermaßen die Frage auf, warum wir einen nennenswerten Anteil dieser Investitionen ausgerechnet in die Photovoltaik, die heute noch ”teuerste“ der erneuerbaren Technologien stecken sollten. Es gibt dafür eine Reihe guter Gründe:

1. Die Photovoltaik hat erhebliche Kostenreduktionspotentiale durch Massenproduktion; so hat die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages bereits 1990 Preissenkungen auf 12 Cent/kWh für Solarstrom für realistisch gehalten. Berücksichtigt man noch, dass dachintegrierte PV-Module gleichzeitig architektonische Aufgaben als Teile der Gebäudehülle übernehmen können, so sind die Preissenkungspotentiale noch deutlich größer.

2. Insoweit Solaranlagen ausschließlich auf Dächern, an Fassaden, Lärmschutzwänden etc. errichtet werden, verursachen sie keinen zusätzlichen Flächenverbrauch. Es wäre gerade in einem dichtbesiedelten Land wie der Bundesrepublik unklug, die hier schlummernden erheblichen Potentiale an nutzbaren Flächen zu verschenken.

3. Die Photovoltaik kann einen wichtigen Beitrag zur Deckung des Energiehungers des Südens leisten. Aufgrund ihres dezentralen Charakters ist sie für den Aufbau einer netzfernen Stromversorgung in Entwicklungsländern besonders geeignet. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass erst einmal die Markteinführung und damit Kostenreduktion in den Industriestaaten gelingt. Die finanzschwachen Entwicklungsländer sind dazu nicht in der Lage.

4. Angesichts der Notwendigkeit eines möglichst raschen weltweiten Umstiegs auf eine regenerative Vollversorgung erscheint es schwer vorstellbar, auf die Photovoltaik komplett verzichten zu können.

5. Solarstrom ist besonders wertvoll, weil er schwerpunktmäßig in den Mittagsstunden, zu Zeiten hohen Strombedarfs erzeugt wird.

6. Solarstrom fällt bis zu einem gewissen Grad zeitlich komplementär zu Windstrom an. Es wird in einer vollständig auf Erneuerbare umgestellten Energieversorgung kaum vermeidbar sein, Zeiten ohne Wind und Sonne durch geeignete Speicher zu überbrücken; die gleichzeitige Nutzung von Sonne und Wind kann den Speicherbedarf jedoch deutlich reduzieren.

Angesichts dieser Bedeutung der Photovoltaik als eine der stärksten Säulen eines regenerativen Energiesystems liegt es dann auf der Hand, dass ihr auch ein besonders großer Anteil an der Reinvestition der Ressourcenrenten zukommen muss - und zwar bereits heute: Es wäre töricht, die Zukunftsaufgabe der Energiewende dem Markt überlassen zu wollen; denn so unschlagbar dieser darin ist, bei Vorgabe geeigneter Rahmenbedingungen kurzfristige, eng umrissene Optimierungsaufgaben zu lösen, so ist er doch völlig damit überfordert, eigenverantwortlich über Zukunftsfragen zu entscheiden, die in ihrer Komplexität das beschränkte Effizienzdenken [Fußnote]C. Pfeiffer hat dies treffend auf den Punkt gebracht: ”Trotz aller Erfolge gibt es noch immer Technologie- und Innovationsfeindlichkeit in unserem Lande. Die Skeptiker finden sich in Konzernzentralen und unter ihnen nahe stehenden Wirtschaftswissenschaftlern. Sie haben sich eine besonders raffinierte Argumentation ausgedacht, um Zukunftstechnologien zu blockieren, die ihnen quer kommen. Sie argumentieren, man solle im Kampf gegen den Klimawandel alle Mittel auf die kosteneffizientesten Massnahmen konzentrieren. Übersetzt heißt dies, alles Geld in die Wärmedämmung - sprich Styropor und Mineralwolle - zu investieren. Technologien, die heute noch nicht wettbewerbsfähig sind, sollten solange in den Laboratorien verharren, bis sie ausgereift sind.“ (12, S. 90f.) - Es stellt sich hier die Frage, wie weit eigentlich die Computertechnologie heute wäre, wenn man mit der massenhaften Einführung von Computern hätte warten wollen, bis diese ”ausgereift“ sind. der Ökonomie schlichtweg transzendieren. Mit den Worten Jakob von Uexkülls: ”Der Markt ist ein guter Diener, aber ein schlechter Herr.“

Aus dieser Perspektive verwundert es dann sehr, wenn die ”Photon“ die Vergütungszahlungen für die Photovoltaik als in Bälde unbezahlbar geißelt: Diese erscheinen jetzt vielmehr als eine dringend nötige Investition in die langfristige Sicherung unserer Energieversorgung. Sie entsprechen letztlich den Abschreibungskosten für den Verschleiß von Produktionsanlagen, die allenthalben einkalkuliert werden müssen, um die notwendigen Ersatzinvestitionen finanzieren zu können. Letztlich stehen der Einzelne wie die Gesellschaft ja immer vor der Wahl, welchen Anteil ihres Einkommens sie konsumieren und welchen Anteil sie im Interesse späteren Konsums investieren, und es käme wohl niemand auf die Idee, für eine Vernachlässigung der Ersatzinvestitionen einzutreten mit der Begründung, diese seien ohnehin unbezahlbar und man solle die Rückstellungen hierfür lieber sofort konsumieren.

3. Der Vorwurf der überhöhten Gewinne und die Frage nach der ”richtigen“ Vergütungsdegression

Nachdem wir in den Teilen 1 und 2 die Befürchtung, die Solarstromvergütung werde ”unbezahlbar“, ausführlich diskutiert haben, wollen wir uns abschließend noch mit dem Einwand beschäftigen, die derzeitigen Vergütungszahlungen würden in erster Linie die Gewinne der Solarsiliziumfabriken erhöhen, ohne dass die bisher erzielten Kostenreduktionen sich in sinkenden Modulpreisen niederschlagen würden. Jan Kai Dobelmann, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS), klagt im ”Photon“-Interview: ”Tragisch ist, dass das Handwerk am allerwenigsten profitiert. Es profitieren Anlagefonds und Aktionäre derzeit“, und sein Interviewpartner von ”Photon“ spricht davon, es gehe darum, ”die Modulhersteller ein bißchen kürzer zu halten und dem Handwerk etwas Gutes zu tun.“ (26)

Die Funktion von Innovationsgewinnen

Da dieser Einwand bereits in (3) ausführlich diskutiert worden war, mögen hier folgende Hinweise genügen: Dass die Preise für Solarmodule zwischenzeitlich sogar gestiegen waren, hat nichts mit angeblichen Mitnahmeeffekten zu tun, sondern ist eine ganz natürliche Folge des aktuellen Engpasses in der Siliziumproduktion, der nur durch massive Kapazitätsausweitungen behoben werden kann. Es liegt auf der Hand, dass dies nicht quasi über Nacht möglich ist. Die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage muss daher vom Marktmechanismus kurzfristig durch ein Anziehen der Preise geschlossen werden; mit einer gewissen Verzögerung führen die nunmehr gestiegenen Gewinne der Siliziumhersteller aber dazu, dass entweder diese selbst ihre Kapazitäten erweitern - oder aber Konkurrenten zum Einstieg in das derart lukrativ gewordene Geschäft animiert werden und eigene Kapazitäten errichten. Damit weitet sich das Angebot aus - die Preise sinken. Die Gewinne haben insofern die wichtige Funktion, das für die notwendigen Investitionen erforderliche Kapital zu mobilisieren. Sie sind ferner Anreiz für weitere Innovationen, die mittelfristig zur Verbilligung der Photovoltaik führen werden.

Damit sind wir bei einem wichtigen Unterschied zwischen der Branche der Erneuerbaren und der übrigen Wirtschaft: Es ist völlig natürlich, dass in dynamisch sich entwickelnden Wachstumsbranchen höhere Gewinne, vor allem in Form von Innovationsgewinnen auftreten, als in eher saturierten Märkten mit nur noch geringem Expansionspotential und gemächlichem technischen Fortschritt; sie sind gerade die wesentliche Triebfeder dieser Dynamik, wie etwa die stürmische Entwicklung der Computertechnologie zeigt, die uns zudem vorführt, dass hohe Gewinne und rasante Kostenreduktion sich nicht gegenseitig ausschließen, sich vielmehr in gewissem Umfang sogar gegenseitig bedingen. Langfristig werden die Gewinne durch den Wettbewerb jedoch herunterkonkurriert - und zwar nach der ökonomischen Theorie in Richtung Null: Im langfristigen Konkurrenzgleichgewicht kann der Preis die langfristigen Durchschnittskosten nicht überschreiten (vgl. z.B. (14, S. 175)).

Eine Ausnahme hiervon stellen natürlich Monopolgewinne dar. Aber sowohl die Herstellung als auch der Einsatz der Anlagen zur dezentralen regenerativen Energiegewinnung ist kaum monopolisierbar und damit weitaus näher am Lehrbuch-Ideal des vollkommenenen Wettbewerbs als die heutige zentralistische fossil-atomare Energiewirtschaft einschließlich des Kraftwerkbaus.

Am ehesten könnte die Gefahr monopolistischer Tendenzen noch im Bereich der Solarsiliziumproduktion bestehen, da hier die Marktzutrittsbarrieren am höchsten sind [Fußnote]Derzeit sind hier etwa 12 Unternehmen am Markt aktiv, während es bei der Modulproduktion über 400 und bei der Installation und Wartung über 5000 sind (25). Auch wenn dieses Segment nur einen Anteil von 5% an der Wertschöpfung der Photovoltaik-Branche hat, sollte man diese Gefahr durchaus ernst nehmen. Sie sinkt aber um so mehr, je mehr der Solarsilizium-Markt wächst und aufgrund der Gewinnaussichten auch neue Produzenten anzieht. Die Voraussetzung hierfür sind freilich verlässliche politische Rahmenbedingungen, die potentiellen Investoren Planungssicherheit geben. Je mehr durch ständige Diskussionen über die Vergütungshöhen des EEG Verunsicherung gestiftet wird, desto weniger neue Anbieter werden hinzukommen und desto mehr werden die heutigen Siliziumproduzenten unter sich bleiben, desto unvollständiger wird also der Wettbewerb bleiben. Von daher ist es ratsam, die Regelungen des EEG möglichst selten zu korrigieren.

Jetzt die Solarstrom-Vergütung abrupt zu kappen, wie es ”Photon“ allen Ernstes vorschlägt, um damit die bösen Gewinne der Siliziumhersteller zu reduzieren, könnte sich später also zweifach rächen: Erstens, weil es den notwendigen Kapazitätsausweitungen die Basis entzieht und damit die Massenfertigung der Solaranlagen und die Kostenreduktion infolge von Skaleneffekten blockiert, und zum zweiten, weil damit verhindert würde, dass das Hinzutreten neuer Akteure den Wettbewerb belebt, so dass dieser dann die Gewinne im Laufe der Zeit herunterkonkurrieren kann.

Im übrigen sei daran erinnert, dass Schumpeter unvollkommenen, monopolistischen Wettbewerb sogar ausdrücklich begrüßt hat, da er ihm erhebliche Innovationsvorteile zugebilligt hat. ”Er meinte, Innovation und technologischer Wandel würden eher von Monopolen und Oligopolen vorangetrieben als von Unternehmen, die im vollständigen Wettbewerb stehen. Wiewohl es zutrifft, dass der unvollständige Wettbewerb Ineffizienzen bewirkt, indem die Preise über die Grenzkosten angehoben werden, meinte Schumpeter, dass all die Innovationen der großen Unternehmen den Verlust durch die überhöhten Preise mehr als wettmachen.“ (14, S. 217) Wenngleich wir uns dieser grob verallgemeinernden Auffassung nicht anschließen wollen, so mag sie doch als Hinweis auf die von Gewinnerwartungen ausgehenden Innovationsanreize dienen.

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"Uberhaupt ist es sehr verwunderlich, dass ausgerechnet im Bereich der erneuerbaren Energien Gewinne derart skeptisch beäugt werden. Jahrelang ist den Erneuerbaren vorgehalten worden, sie seien ”leider noch“ unrentabel [Fußnote]Noch heute machen sich so manche Windkraftgegner ”Sorgen“ darüber, ob die Anlagen im Binnenland denn überhaupt wirtschaftlich betrieben werden könnten. Nachdem sich die Verhältnisse dank des EEG geändert haben, sehen sich die Investoren in saubere Energien nun dem Vorwurf ausgesetzt, sich eine ”goldene Nase“ zu verdienen - und dies schon bei moderaten Renditen, die weit hinter denen der klimazerstörenden fossilen Stromwirtschaft zurückbleiben.

Dabei werden Gewinne sonst in fast jedem anderen Bereich als Ausweis von Erfolg und Leistung gefeiert und als unverzichtbare Voraussetzung für neue Investitionen und die Erhaltung bzw. Schaffung von Arbeitsplätzen verherrlicht. Gerade erst hat die große Koalition eine Unternehmenssteuerreform mit 5 Milliarden Euro Nettoentlastung beschlossen, um die Investitionsbereitschaft der Unternehmen zu beflügeln; Hans Michelbach, CSU-Bundestagsabgeordneter begründet dies im Mainpost-Interview vom 25.5.2007 wie folgt: ”In Zeiten globalen Wirtschaftens sind es vor allem die ertragsstarken, innovativen Unternehmen, die bei uns für mehr Wachstum und Beschäftigung sorgen müssen.“

Bei dieser pauschalen Verteilung von Steuergeschenken bleibt natürlich außer acht, dass heute ein erheblicher Teil der Investitionen nicht in arbeitsplatzschaffende Erweiterungsinvestitionen, sondern in arbeitsplatzvernichtende Rationalisierungsinvestitionen fließt [Fußnote]Dies liegt zum einen daran, dass sich nach sechs Jahrzehnten fast permanenten Wachstums eine gewisse Bedarfssättigung eingestellt hat und daher nur noch eine relativ geringe Notwendigkeit für Kapazitätserweiterungen besteht, zum anderen an dem ausgeprägten Ungleichgewicht zwischen den Produktionsfaktoren Arbeit und Energie, das wir an anderer Stelle (vgl. z.B. (4) und (5)) ausführlich diskutiert haben und das die Ersetzung von immer mehr menschlicher Arbeit durch energiegetriebene Maschinen und Computer wirtschaftlich höchst rentabel macht – und dass die Gewinne mitunter gar nicht mehr investiert, sondern für Spekulationen ”genutzt“ werden. Dennoch wird die Berechtigung von Gewinnen im Allgemeinen nicht einmal hinterfragt. Und ausgerechnet im jungen, aufstrebenden Bereich der Photovoltaik, in dem eine besonders hohe Chance für Kapazitätserweiterungen besteht, welche aufgrund der hohen Arbeitsintensität gerade des Installateurs-Handwerks noch dazu ganz besonders beschäftigungswirksam wären, sollen Gewinne nun auf einmal anrüchig sein?

Und wenn man wie Dobelmann beklagt, ”profitieren [würden] Anlagefonds und Aktionäre derzeit“, so sollte man auch bedenken, dass primär über solche Fonds auch die private Altersvorsorge organisiert wird, die ja von der Politik seit Jahren als unverzichtbare Ergänzung zur zunehmend ausgehöhlten gesetzlichen Rente propagiert wird.

Dem Ziel von ”Photon“ und DGS, dem Handwerk ”etwas Gutes zu tun“, können wir uns übrigens nur anschließen. Es bleibt uns freilich ein Rätsel, inwiefern man dies dadurch erreichen kann, dass man die Vergütungsdegression erhöht oder gar die Vergütung abrupt um 30% senkt. Ihre Aufgeschlossenheit [Fußnote]Eine klare Aussage hierzu scheut die DGS offenbar. Sie spricht nur davon, ”die deutsche Solarindustrie (solle) auch eine höhere Kostendegression für Standardmodule in Kauf nehmen“ (26) und schreibt sibyllinisch ”Eine kategorische Ablehnung einer Änderung der Degressionssätze für die Vergütung, wie sie vom BSW gefordert wird, wird von der DGS vor dem Hintergrund einer für Investoren auskömmlichen Renditeerwartung nicht geteilt.“ (27) für eine höhere Vergütungsdegression begründet die DGS damit, dass die 2004 von der Solarindustrie für 2010 versprochene Kostenreduktion gemäß der sog. ”Lernkurve“ der Photovoltaik bereits heute erreicht hätte sein müssen da die Marktentwicklung wesentlich dynamischer verlaufen sei als seinerzeit erwartet. Daraus den Schluss zu ziehen, man könne die Vergütung jetzt entsprechend absenken, ist jedoch in etwa genauso ”sinnvoll“, als würde man sich an einem warmen und sonnigen Dezember-Tag in einen dicken Wintermantel einmummen, weil es um diese Jahreszeit ja eigentlich schon kalt sein müsste: Es wird verkannt, dass es trotz des langfristigen Preisverfalls der Solarmodule immer wieder zu vorübergehenden Preisanstiegen kommen kann, wenn in einzelnen Gliedern der Fertigungskette Engpässe auftreten, wie derzeit bei Solarsilizium. Ähnliches ist auch aus der Computerbranche wohlbekannt: Trotz des nun schon jahrzehntelang anhaltenden Preisverfalls von Computern waren zwischenzeitlich immer wieder massive Preisanstiege einzelner Komponenten zu beobachten, etwa wenn die Produktion von Speicherbauteilen nicht mit dem Bedarf mithalten konnte.

Was ist die ”richtige“ Vergütungsdegression?

Anscheinend ist die DGS aber der Ansicht, man müsse jetzt durch eine härtere Gangart der Industrie ”nachhelfen“, ihr Preissenkungsversprechen einzuhalten; beruhigend spricht sie davon, ”eine erhöhte Degression würde einen Druck auf die Industrie und nicht auf den Investor entfalten“ (27). Dies ist nicht nachzuvollziehen: Natürlich würde ein Absenken der Vergütung kurzfristig erst einmal die Modulpreise sinken lassen - weil die Nachfrage einbrechen würde und die Hersteller mit Preissenkungen, evtl. sogar unter die Gewinnschwelle, reagieren müssten. Damit würde aber die heutige Marktdynamik geschwächt oder gar abgewürgt, und viele Möglichkeiten zur Kostenreduktion, die sich nur in neuen Produktionsstätten von der Theorie in die Praxis umsetzen lassen, blieben ungenutzt.

Mittelfristig würden die Herstellungskosten auf einem höheren Niveau verharren als bei der heutigen Degression; sogar ein völliger Fadenriss ist denkbar, falls nämlich die nunmehr verlangsamte Kostenreduktion nicht mit der erhöhten Vergütungsdegression mithalten könnte: Der Markt würde völlig zum Erliegen kommen...

Dies führt uns auf einen interessanten Punkt, dem wir abschließend nachgehen wollen: Wie sollte überhaupt die ”richtige“ Vergütungsdegression aussehen? Sinn der Degression ist es ja, den durch Massenfertigung sinkenden Erzeugungskosten Rechnung zu tragen. Wie wir gesehen haben, ist es dabei zur Vermeidung eines Fadenrisses freilich wichtig, dass sie nicht versucht, die angestrebten Preissenkungen in erzwingender Absicht zu antizipieren, sondern vielmehr nur auf bereits erzielte Kostenreduktionen reagiert. Es ergibt sich folgendes Paradoxon: Erhöht man die Degression ein wenig, so wird damit das künftige Wachstum des Photovoltaik-Marktes verlangsamt: die Nachfrage nach Solarmodulen, die Gewinne und Absatzerwartungen der Hersteller und damit die Investitionen in neue Fertigungsstätten gehen allesamt zurück. Damit vermindert sich aber auch das (durchschnittliche! [Fußnote]Wie oben ausgiebig diskutiert, können die Kosten und mehr noch die Preise kurzfristig sehr wohl erheblichen Schwankungen unterworfen sein. Im Mittel über mehrere Jahre wird der Trend freilich eindeutig nach unten gehen. Tempo der Kostenreduktion. Paradoxerweise führt eine höhere Degression also zu langsamer sinkenden Herstellungskosten! Es gibt daher einen Punkt, an dem Degressionsrate und Rate der Kostenreduktion gerade übereinstimmen; erhöht man die Degression über diesen Punkt hinaus, kommt es zu dem bereits angesprochenen Fadenriss.

Um zumindest grob abzuschätzen, wo ungefähr dieser Punkt liegt, ist es hilfreich, die bereits erwähnte ”Lernkurve“ der Photovoltaik heranzuziehen: Aufgrund von Erfahrungswerten geht man davon aus, dass eine Verdoppelung der insgesamt weltweit installierten Photovoltaik-Leistung eine Kostenreduktion um etwa 15 bis 18% ermöglicht. In dem oben diskutierten ”Photon“-Szenario wächst die installierte Leistung in Deutschland von 2,9 GWp im Jahre 2006 auf 93 GWp im Jahr 2019, also durchschnittlich um 31% pro Jahr. Nun ist die Entwicklung der Photovoltaik in Deutschland in der Vergangenheit stets wesentlich dynamischer verlaufen als weltweit, sowohl vor als auch nach Inkrafttreten des EEG: Zwischen 1992 und 2005 betrug der durchschnittliche jährliche Zuwachs der installierten Leistung in Deutschland 55%, im Rest der Welt nur 28%; für den Zeitraum von 2000 und 2005 lagen diese Werte sogar bei 71% für Deutschland gegenüber 29% im Rest der Welt. Es erscheint realistisch, dass Deutschland dieses höhere Ausbautempo auch in den nächsten Jahren behalten wird, wenngleich der Abstand durch die Adaption des Erfolgsmodells EEG durch andere Staaten vermutlich (und hoffentlich!) kleiner wird. Wenn also die Wachstumsrate der installierten Leistung in Deutschland von 74% (im Zeitraum 2000 bis 2005) auf 31% (im Zeitraum 2006 bis 2019) sinkt (was aufgrund des sog. Basiseffekts, der Tatsache, dass sich die Wachstumsraten auf eine stark gestiegene Ausgangsbasis beziehen, völlig natürlich ist!), so ist davon auszugehen, dass sich die entsprechende Wachstumsrate für den Rest der Welt von 29% uumindest auf 20% reduziert. Dies bedeutet 25% jährliches Wachstum weltweit. Nimmt man an, dass die Kostenreduktion der genannten Lernkurve gehorcht, so führt diese Wachstumrate zu einer mittleren jährlichen Kostenreduktion um 6,2%. Dementsprechend dürfte die Vergütung inflationsbereinigt auch nur in diesem Ausmaß sinken. Unter Berücksichtigung von 1,6% jährlicher Inflation würde die angemessene Vergütungsdegression also bei 4,7% pro Jahr liegen; eine stärkere Degression hingegen würde früher oder später zu einem Fadenriss führen.

Mit der von ”Photon“ angestrebten Degression von 7,5% pro Jahr (die inflationsbereinigt einer Absenkung der Vergütung um jährlich 9% entspricht!) wird es zu dem von ”Photon“ prognostizierten relativ raschen Ausbau der Photovoltaik wohl erst gar nicht kommen; der Fadenriss ist vorprogrammiert. Zynisch könnte man sagen, dass sich ”Photon“ schon von daher keinerlei Sorgen über ”unbezahlbare“ Vergütungen machen müsste... Nun ist ”Photon“ freilich der Ansicht, eine bloße Degressionsanhebung auf 7,5% reiche zur Kostendämpfung noch nicht aus, und schlägt zusätzlich eine Vergütungssenkung um 30% vor. Die verheerenden Wirkungen einer solchen Maßnahme kann man sich im Lichte der obigen Überlegungen nun leicht ausmalen...

Belässt man die Degression hingegen bei den jetzigen 5% oder senkt sie leicht ab, so ist sogar ein etwas rascheres Wachstum als in dem ”Photon“-Szenario denkbar - und damit eine stärkere Kostenreduktion, so dass nach einigen Jahren eine entsprechende Degressionserhöhung möglich wird, ohne die Entwicklung abzuwürgen.

Es ist also ratsam, die Degression anfangs eher zu niedrig als zu hoch zu wählen - was natürlich die nächste Frage aufwirft: Käme bei ”zu niedriger“ Degression nicht nach einigen Jahren der Zeitpunkt, an dem die Vergütung einfach nicht mehr zu den mittlerweile stark gefallenen Kosten passt? Wäre es nicht spätestens dann so weit, dass sich die Betreiber oder die Installateure und Hersteller - oder alle drei - an der üppigen Vergütung nur noch die sprichwörtliche ”goldene Nase“ verdienen? Nein, denn wenn die Gewinnspanne der Betreiber zu groß würde, dann würde die Nachfrage nach PV-Anlagen rasant steigen, weil nun (fast) jeder in das derart lukrative Geschäft einsteigen und auch seine eigene Anlage errichten wollen würde. Damit würden (vorübergehend) auch die Anlagenpreise steigen - womit die Gewinnmargen der Betreiber alsbald wieder auf ein ”normales“ Maß eingedampft würden. Die gestiegenen Anlagenpreise - in denen sich zunächst tatsächlich höhere Gewinne bei den Herstellern und Installateuren widerspiegeln würden - würden neue Mitbewerber auf den Plan rufen, die ebenfalls im nunmehr lukrativen Solargeschäft mitspielen wollen würden: Es würden neue Solarfirmen gegründet bzw. bestehende Fertigungskapazitäten erweitert. Damit würde aber das Angebot an Solaranlagen steigen und somit deren Preis sinken. Hiermit würde zwar abermals die Gewinnspanne der Betreiber wachsen, aber damit würde das Spiel von vorne beginnen: Die Installationswünsche der noch ”unversorgten“ Dachbesitzer würden den Preis hoch- und die Betreibergewinne nach unten treiben usw. insgesamt kommt es also zwar immer wieder zu erhöhten Gewinnen bei dem einen oder anderen Beteiligten, je nachdem an welcher Stelle des Kreislaufs gerade ein ”Engpass“ besteht - diese Gewinnzunahmen senden aber jeweils einen Expansionsimpuls aus, der zur Ausweitung der Fertigungskapazitäten bzw. der privaten Nachfrage führt. Da bereits geringe Renditezunahmen in aller Regel stark anziehend auf Kapital wirken, kommt es also in erster Linie zu einer Beschleunigung des PV-Zubaus (was ja gerade unser Ziel ist) und nur in geringerem Umfang zu Gewinnmitnahmen. Diese sind - in der Form von den jeweiligen technologischen Spitzenreiter belohnenden Innovationsgewinnen - in einem marktwirtschaftlichen System aber nun einmal die Voraussetzung für eine solch starke Expansion, wie wir sie der Photovoltaik wünschen; nur in einem stagnierenden Markt (und nur im Idealfall des vollkommenen Wettbewerbs) würden die Gewinne langfristig gegen Null tendieren.

In diesem Sinne kann die Vergütungsdegression eigentlich kaum zu niedrig sein: Eine ”zu niedrige Degression“ führt im Wesentlichen zu einer schnelleren Marktdurchdringung der Photovoltaik als sie bisher für möglich gehalten wurde - was aber wollen wir mehr?

Problematisch würde es allenfalls dann, wenn die Marktdynamik ein solches Ausmaß angenommen hat, dass sie die technologische Innovationsfähigkeit der Branche überfordert: Die bereits angesprochene ”Lernkurve“, bei der es sich ja um ein rein empirisches ”Gesetz“ handelt, verliert vermutlich ihre Gültigkeit, wenn sie zu schnell durchlaufen wird: Bei einer jährlichen Verdreifachung des Marktes z.B. wäre kaum noch damit zu rechnen, dass es derart schnell zu der Preisreduktion um 30% kommt, welche die Lernkurve vorhersagt. Von dieser Situation sind wir angesichts weltweiter Wachstumsraten der Photovoltaik von 40% heute freilich meilenweit entfernt; im Fall der Computerbranche, die über viele Jahre hinweg noch höhere Wachstumsraten hatte, hat schließlich auch niemand von ”Marktüberhitzung“ geredet... Falls sich irgendwann doch herausstellen sollte, dass die Marktdynamik ein nicht mehr sinnvolles Maß angenommen hat, dann ist immer noch Gelegenheit, die Entwicklung durch eine Degressionserhöhung zu korrigieren. Gedanken um die angebliche Unbezahlbarkeit der inzwischen angefallenen Vergütungen müssen wir uns dabei nur wenige machen: Wie wir in Teil 1 gesehen haben, ist nicht damit zu rechnen, dass die Photovoltaik-Vergütungen ernsthafte Opportunitätskosten verursachen, angesichts der Arbeitsmarkteffekte eines Solar-Booms könnte eher das Gegenteil der Fall sein, und außerdem führt uns ein rascheres Wachstum der Photovoltaik und damit eine schnellere Kostendegression nur um so schneller an den in Teil 2 beschriebenen Punkt, an dem auch bei sehr vorsichtiger Rechnung die Erzeugungskosten des Solarstroms unter den durch ihn vermiedenen gesamtwirtschaftlichen Kosten der heutigen Energieerzeugung liegen.

4. Fazit

Fassen wir zusammen: Die ”Photon“-Analyse, wonach die künftigen Solarstromvergütungen volkswirtschaftliche Kosten von 250 Milliarden für alle bis 2019 installierten Anlagen verursachen würden und daher ”unbezahlbar“ seien, ist in folgenden Punkten falsch bzw. irreführend:

1. Die Vergütungszahlungen erstrecken sich über 20 Jahre; die von ”Photon“ genannten Summen nehmen sich daher - selbst wenn es sich um echte Belastungen handeln würde - mehr als bescheiden aus gegenüber etwa den Folgekosten des Rauchens, des Alkoholmissbrauchs und von ungesunder Ernährung, welche auf 125 Milliarden Euro jährlich geschätzt werden.

2. Die Solarstromvergütungen würden nur dann eine volkswirtschaftliche Belastung (im Sinne von Opportunitätskosten) darstellen, wenn sie anderweitige Konsummöglichkeiten einschränken würden. Dies ist jedoch nicht der Fall: Angesichts der heutigen Unterauslastung des Faktors Arbeit sowie des Überangebots an anlagesuchendem Kapital muss die Produktion von Solaranlagen keinesfalls zum Abzug volkswirtschaftlicher Ressourcen aus der Herstellung anderer Güter führen; vielmehr werden die EEG-Vergütungen zu einer teilweisen Mobilisierung des heute ungenutzt brachliegenden Arbeitskräfte-Potentials führen. Hierdurch werden Einkommen bei den neu eingestellten Beschäftigten generiert, und es können die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gesenkt werden. Beides kompensiert den durch die Vergütungszahlungen bedingten anfänglichen Verlust an Kaufkraft, so dass die Bevölkerung das jetzige Niveau des Konsums (von Nichtsolaranlagen) weitgehend wird halten (vielleicht sogar noch wird steigern) können; die Arbeitsmarktbilanz wird ohnehin positiv sein. Dieser ”solare Aufschwung“ wird durch die Exportchancen für solare Technologien noch deutlich verstärkt werden.

3. Selbst wenn man diese Effekte außer acht lässt, reduzieren sich die Opportunitätskosten der Solarstromvergütungen erheblich, wenn man - über die vermiedenen Kosten konventionellen Stroms hinaus - die Einsparungen an externen Kosten der fossilen Energienutzung berücksichtigt: Die Mehrkosten sämtlicher von 2000 bis 2019 installierten Photovoltaik-Anlagen (die von ”Photon“ mit 250 Milliarden Euro angegeben worden waren) belaufen sich dann im von ”Photon“ als am wahrscheinlichsten eingeschätzten Szenario und auch bei Beibehaltung der derzeitigen 5%-Degression auf insgesamt höchstens 44 Milliarden Euro, sofern man bei der Abschätzung der externen Kosten zukünftige Schäden nicht in ethisch fragwürdiger Weise diskontiert. Der zusätzliche Wert von Solarstrom als teilweiser Spitzenlaststrom ist hierbei ebensowenig berücksichtigt wie künftig höhere Kosten konventionellen Stroms nach Überschreitung des globalen Erdölfördermaximums oder höhere Klimafolgekosten aufgrund neuerer Erkenntnisse der Klimaforschung.

4. Dehnt man die Betrachtung etwas weiter in die Zukunft aus, so fällt aufgrund der sinkenden Vergütung die Bilanz alsbald wesentlich günstiger für die Photovoltaik aus: Die insgesamt bis 2035 errichteten Anlagen bewirken dann Einsparungen an volkswirtschaftlichen Kosten in Höhe von über 300 Milliarden Euro.

5. Der Vorwurf, die heutige Vergütungshöhe führe zu Mitnahmeeffekten in der Solarsilizium- und Modulproduktion, verkennt, dass Innovationsgewinne in Branchen mit hoher Wachstumsdynamik ein wichtiges marktwirtschaftliches Signal sind, um Kapital für die dringend nötigen Kapazitätserweiterungen sowie weitere technologische Innovationen zu mobilisieren, welche wiederum die Voraussetzung für eine künftige Kostenreduktion sind. Durch den Wettbewerb werden die Gewinne mittelfristig ganz von selbst herunterkonkurriert. Der ohnehin geringen Gefahr monopolistischer Tendenzen kann die Politik am wirksamsten dadurch begegnen, dass sie die verunsichernden Diskussionen über die EEG-Vergütungshöhen beendet und für verlässliche gesetzliche Rahmenbedingungen sorgt, um damit neue Akteure zum Einstieg in die Solarbranche zu ermutigen.

6. Die Versuche, durch ein Anziehen der Degressions-”Daumenschrauben“ die Kostenreduktion zu beschleunigen, sind kontraproduktiv: Eine höhere Degression verlangsamt die Marktdynamik und damit paradoxerweise auf Dauer die Kostenreduktion. Es ist daher sinnvoll, anfänglich eine eher niedrige Degression zu wählen und ggf. im Nachhinein auf unerwartet starke Kostensenkungen durch ein Nachjustieren der Degression zu reagieren. Dies ist freilich nur im Fall einer ausgeprägten Marktüberhitzung nötig, von der heute keine Rede sein kann.

7. Eine jährliche Vergütungsdegression von 7,5% ist nicht vereinbar mit der Kostenreduktion, die gemäß der ”Lernkurve“ der Photovoltaik im o.g. ”Photon“-Szenario (d.h. Wachstum des jährlichen Photovoltaik-Zubaus auf 11 GWp bis 2019) zu erwarten ist. Es besteht die Gefahr eines ”Fadenrisses“, wenn diese Degressionsverschärfung Wirklichkeit wird.

Literatur

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[4] Grahl, J.; Kümmel, R.: Produktionsfaktor Energie - Der stille Riese, Energie & Zukunft 1 (2006), S. 4-23

[5] Grahl, J.: Umsteuern durch Energiesteuern, Energie & Zukunft 2 (2007), S. 17-23

[6] Hartwick, J. M.: Intergenerational equity and the investing of rents in exhaustible resources, American Economic Review 67 (1977), S. 972-974

[7] Hohmeyer, O.: Vergleich externer Kosten der Stromerzeugung in Bezug auf das Erneuerbare-Energien-Gesetz, Gutachten im Auftrag des Umweltbundesamtes, Flensburg 2001

[8] Kümmel, R.: Energie und Kreativität, Teubner, Leipzig 1998

[9] Kümmel, R.: Ökonomische Bewertungen der Klimawandel-Folgen, Hauptvortrag auf der Physikertagung in Regensburg am 27.3.2007, http://theorie.physik.uni-wuerzburg.de/TP1/kuemmel/kuemmel.html

[10] Nitsch, J.: Leitstudie 2007: Ausbaustrategie Erneuerbare Energien - Aktualisierung und Neubewertung bis zu den Jahren 2020 und 2030 mit Ausblick bis 2050, Untersuchung im Auftrag des Bundesumweltministeriums, Stuttgart 2007

[11] Paulitz, H.: Solare Netze - NeueWege für eine klimafreundliche Wärmewirtschaft, Verlag DieWerkstatt, Göttingen 1997

[12] Pfeiffer, C.: Ideen für die Zeit danach, in: Fell, H.-J.; Pfeiffer, C. (Hrsg.): Chance Energiekrise - Der solare Ausweg aus der fossil-atomaren Sackgasse, Solarpraxis, Berlin 2006, S. 73-103

[13] Podewils, C.: Das 150-Milliarden-Euro-Ding, in: Photon 5/07, S. 16-19

[14] Samuelson, P.; Nordhaus, W.: Volkswirtschaftslehre, Ueberreuther, Frankfurt / Wien 1998

[15] Solow, R.M.: The economics of resources and the resources of economics, The American Economic Review 64 (1974), S. 1-14

[16] Ströbele, W.: Rohstoffökonomik - Theorie natürlicher Ressourcen mit Anwendungsbeispielen: Öl, Kupfer, Uran und Fischerei. München 1987

[17] Absatz von versteuerten Zigaretten nahm im Jahr 2005 um 14% ab, Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes vom 19.1.2006, http://www.destatis.de/presse/deutsch/pm2006/p0290064.htm

[18] UPI-Bericht Nr. 46: Kostenumschichtung im Gesundheitswesen durch Anwendung des Verursacherprinzips..., Heidelberg 2001

[19] Kosten alkoholassoziierter Krankheiten, Studie des Robert-Koch-Instituts, Berlin 2002

[20] Das Parlament Nr. 33-34 / 09.08.2004

[21] SolarWorld: 1.000 Jobs durch neue Solarfabrik in Sachsen, Meldung von www.pressetext.de vom 2.7.2007

[22] Stern Review - Report on the economics of climate change, Cambridge University Press 2007, http://www.cambridge.org/9780521700801

[23] Aktienrückkauf und Zukäufe - E.on hat viel vor. Meldung von n-tv vom 31.5.2007, http://www.n-tv.de/808631.html

[24] Erhöhter Gewinn bei RWE im Geschäftsjahr 2006, Meldung von WikiNews vom 24.2.2007, http://de.wikinews.org/wiki/Erhöhter_Gewinn_bei_RWE_im_Geschäftsjahr_2006

[25] Commerzbank: Wachstumsstrategien der deutschen Solarwirtschaft, Folien zur Pressekonferenz am 13.6.2007

[26] DGS fordert Photovoltaik-Lernkurve, Pressemeldung der DGS vom 3.5.2007

[27] DGS-Position zur EEG-Novelle, Pressemeldung der DGS vom 14.6.2007 Nachtrag vom 30.08.07


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